Das Bergsteigen kann weltweit bereits auf mehr als 230 Jahre Geschichte zurückblicken. Der erste Bergsteigerklub wurde 1857 in London gegründet. Sein bulgarisches Pendant folgte Jahre später. Obwohl dieser Bergsport in Bulgarien relativ jung ist, kann er bereits einige Errungenschaften vorweisen. Das zumindest behauptet Dozent Sandju Beschew, der seit 50 Jahren die Geschichte und Entwicklung des Bergsteigens erforscht. Er zählt zu jenen bulgarischen Alpinisten, die für unsere Landleute den Weg auf den Everest, auf den K2 und viele andere Achttausender freimachten. Zu den Pionieren des bulgarischen Bergsteigens gehören auch Konstantin Sawadschiew, der 1938 den 2.731 Meter hohen Maljowitza auf der Nordseite bestieg, die bis dato als nicht bezwingbar galt, Georgi Atanassow, der einzige Professor für Bergsteigen in Bulgarien sowie der Leiter der Everest-Expedition von 1984 Awram Awramow. Nähere Einzelheiten über die Bergsteigerbewegung in Bulgarien erfahren wir von Dozent Beschew:
"1885 besteigt der bulgarische Student Paraschkew Stojanow den 4.318 Metern hohen Grand Combin in den Walliser Alpen. Sein Vater Iwantscho Stojanow hatte übrigens die Tickets für die Freischar von Hristo Botew für die Überfahrt auf der Radetzki gekauft", erzählt Sanju Beschew. "Die Besteigung beeindruckte selbst den Schriftsteller Aleko Konstantinow, der dem Studenten persönlich dazu gratulierte. Namentlich diese Besteigung gilt als der Geburtstag des bulgarischen Bergsteigens. 1929 gibt er den ersten vollständigen praktischen Tourismus-Leitfaden heraus, in dem er dem Bergsteigen, d.h. Theorie, Praxis und Ausrüstung besondere Aufmerksamkeit widmet. Der bereits verstorbene Aleksandar Belkowski, ebenfalls ein Pionier des bulgarischen Bergsteigens, hatte in Grenoble studiert und als Bergführer gearbeitet, was ihm bei der Ersteigung von 30 Himmelsstürmen behilflich war. Auch Ljuben Teptscharow, ebenfalls Student, später Professor der Medizin, bezwang zahlreiche Berge in den Alpen. Seine Freunde und Kommilitonen setzen das Bergsteigen in Bulgarien fort, jedoch noch nicht organisiert. Erst Stefan Popow, der zwar kein Bergsteiger dafür aber ein ausgezeichneter Organisator war, schaffte dem Abhilfe. Lange Zeit wurde sein Verdienst um die Entwicklung des bulgarischen Bergsteigens und die Vereinsgründung nicht anerkannt. Am 19. November 1929 wird der bulgarische Gebirgsverein gegründet und seine Satzung verabschiedet. Noch nennt er sich nicht Alpinismusverein, da sich seine Gründer als Hochalpinisten verstehen. Erst 1934 wird der Gebirgsverein in Alpinismusverein umbenannt. Einige Monate später erhält er die Einladung, sich der Dachorganisation der internationalen Alpinismusvereinigungen UIAA, anzuschließen. Auf dem zweiten Kongress der Dachorganisation in Barcelona wird Bulgarien am 2. November 1935 offiziell in die Reihen der Organisation aufgenommen."
Der bulgarische Alpinismus-Verband ist Mitglied mehrerer internationaler Organisationen: seit 1935 – der Internationalen Union der Alpinismusvereinigungen UIAA, seit 2007 – der Internationalen Union für Sportklettern sowie seit 2008 – des Internationalen Verbands für Skialpinismus.
Welche Vorteile bringt die Mitgliedschaft in internationalen Verbänden?
"Eine Nichtmitgliedschaft in der UIAA würde beispielsweise große Probleme für bulgarische Himalaya-Expeditionen mit sich bringen", erklärt Dozent Sanju Beschew. "Für die Besteigung eines gegebenen Berges verlangt das Tourismusministerium in Nepal die Vorlage eines Nachweises über die UIAA-Mitgliedschaft. Erst dann können wir eigenständige bulgarische Expeditionen organisieren."
Weltweit gibt es 44 bulgarische Erstbesteigungen, d.h. die Berge tragen entsprechend bulgarische Namen.
"Der Grundstein dafür wurde von den Alpinisten der Volksarmee gelegt, die 1968 an der Seite von sowjetischen Bergsteigern Erstbesteigungen im Pamir unternahmen. Daher stammen auch die Bergnamen des 5.666 m hohen Schipka sowie des 6.504 m hohen Bulgaria. Für die Anerkennung der Erstbesteigung braucht es eine präzise Routenbeschreibung sowie Gipfel- und Panoramafotos. Die Dokumentation wird dann in Bulgarien bei einem parlamentarischen Ausschuss eingereicht, in anderen Ländern bei den zuständigen Behörden. Dieses Unterfangen wurde insbesondere vom bereits verstorbenen Entscho Petkow angekurbelt, einer Legende des bulgarischen Bergsteigens. Im Pamir-Alai gibt es mehrere bulgarische Erstbesteigungen, nach denen die Gipfel Plowdiw, Sofia, Georgi Dimitrow (5.111 m), Komsomol-Funke und Dimitrow-Komsomol benannt wurden. Auch in der Mongolei und in Peru tragen Berge bulgarische Namen. 2012 unternahmen Nikolaj Petkow, Dojtschin Bojanow und Mihail Mihailow Erstbesteigungen in Karakorum, die sie Wassil Lewski (5.733 m), Tangra, Rila und Sofia nannten, einschließlich der Erstbesteigungen von Dojtschin Bojanow und Nikolaj Petkow in der Antarktis. In der Tat tragen 44 Berge der Welt bulgarische Namen."
Übersetzung: Christine Christov
Fotos: Archiv
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