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Gewerkschaften: Debatte um Armut ist erstrangiges Thema für unsere Gesellschaft

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Die Lebenshaltungskosten steigen in Bulgarien seit Monaten kontinuierlich an und immer mehr Bulgaren fristen ein Dasein in Armut. Das belegt eine Analyse der Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften in Bulgarien (KNSB). Sie basiert auf den Preisen von Waren und Dienstleistungen und den Einkommen der Bulgaren.

Erstrangiges Thema für unsere Gesellschaft sind die Einkommen und alle möglichen Varianten für deren Anhebung.“ Das sagte der KNSB-Vorsitzende Plamen Dimitrow nach seinem Treffen mit Premier Bojko Borissow. Als zweitwichtigstes Thema sieht er die Mittel zur Förderung der Bildung und Qualifikation der Beschäftigten in Bulgarien an.

Experten der KNSB legten eine Auslandsstudie über die Produktivität in Europa vor, aus der hervorgeht, dass sich Bulgarien unter die Länder mit der größten Arbeitsproduktivität reiht, während Großbritannien, Finnland und Dänemark zu den Schlusslichtern gehören. Allerdings erhalten die Arbeitnehmer dort weitaus größere Gehälter für das, was sie herstellten. Angekurbelt wird das Wirtschaftswachstum in der EU durch die in Entwicklung begriffenen Wirtschaften in Osteuropa, geht des weiteren aus dieser Studie hervor. In Bulgarien geschieht dies auf Kosten der Arbeiter, betonen die Gewerkschaftsvertreter. Sie haben ausgerechnet, dass ein Arbeiter für jeden Lew erzeugten Mehrwert nur 22 Prozent davon bekommt. Das gilt sowohl für die Agrarbranche als auch für den Industrie- und Dienstleistungssektor. Innerhalb der EU ist die Relation zwischen Arbeit und Kapital in Bulgarien, Polen und Rumänien am ungerechtesten, belegt der Bericht.

Violetta Iwanowa von der KNSB geht detaillierter auf die Analyse der Lebenshaltungskosten in Bulgarien ein: „Sie zeigt, dass für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern 2287 Lewa (umgerechnet 1166 Euro) notwendig sind – für Lebensmittel-, Schul-, Medizinkosten und um ihre Ausgaben für Wohnung und Urlaub zu decken. Diese Summe wurde auf der Grundlage des durchschnittlichen Lebensstandards in Bulgarien errechnet. Also muss in einem solchen Haushalt jeder der beiden Eltern mindestens 1143 Lewa (umgerechnet 583 Euro) beziehen, um für die restlichen Familienmitglieder aufkommen zu können, die nicht arbeiten.“

Der größte Anteil entfällt auf die Nahrungs- und Haushaltskosten. Sie machen 60 Prozent des Verbraucherkorbs der Haushalte in Bulgarien aus.

Im Vergleich zum Juni 2008 sind die Lebenshaltungskosten um 25 Prozent angestiegen, d.h. der Unterhalt einer vierköpfigen Familie ist binnen zehn Jahren um über 400 Lewa gewachsen“, präzisierte der Präsident der KNSB Plamen Dimitrow und weiter: „Die Schichtung und Ungleichheit in der Gesellschaft nehmen zu. Die Gehälter sind in den letzten zehn Jahren für die Beschäftigten ungleichmäßig angestiegen. In den Haushalten mit den größten Einkommen sind die Löhne gewachsen. Bei den Armen ist es genau umgekehrt, ihre Gehälter sind im Abwärtstrend. Die Reichen werden noch wohlhabender, die Armer noch ärmer. Eine Studie des Nationalen Statistiksamts zeigt, dass nur 30 Prozent der Bulgaren Löhne über dem Durchschnittslohn in Bulgarien beziehen. Wenn wir also sagen, dass der Durchschnittslohn über 1.000 Lewa (umgerechnet 510 Euro) liegt, sollten wir uns vor Augen halten, dass 70 Prozent der Beschäftigten weniger erhalten. In Sofia unterscheiden sich die Einkommen von denen in den restlichen Teilen des Landes. In der Hauptstadt liegt der Durchschnittslohn bei 1.370 Lewa (umgerechnet 699 Euro). Außerhalb von Sofia beträgt er aber ca. 820 Lewa (umgerechnet 418 Euro). Besorgniserregend ist, dass 2,5 Millionen Bulgaren unter der offiziellen Armutsschwelle von 315 Lewa (umgerechnet 160 Euro) leben. Das macht ein Drittel der Bevölkerung aus. 1,5 Millionen davon sind Rentner. Die restliche 1 Million sind Arbeitslose, alleinstehende Mütter und arbeitende Arme. Summa summarum beziehen lediglich 22 Prozent der Haushalte oder 1,5 Million von insgesamt 7,1 Million Bulgaren Gehälter, die über 570 Lewa (umgerechnet 290 Euro) liegen. Nur die wenigsten können etwas davon beiseitelegen. Jeder, der behauptet, dass die Bulgaren es inzwischen vorziehen würden zu sparen, anstatt ihr Geld auszugeben, verbreitet meiner Ansicht nach blanken Unsinn“, resümierte Plamen Dimitrow.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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