Lange Zeit nannte man in Bulgarien den 22. September den „Zaren-Tag“, weil genau an diesem Datum im Jahre 1908 der damalige Fürst Ferdinand das historische Manifest an das Volk las, mit dem unser Land seine Vasallen-Abhängigkeit vom Osmanischen Reich offiziell abwarf. Die Unabhängigkeitserklärung erfolgte drei Jahrzehnte nach Ende des Russisch-türkischen Krieges von 1877/78, der Bulgarien die Freiheit brachte. Nach fünf Jahrhunderten unter osmanischer Herrschaft war Bulgarien – einer der ältesten Staaten in Europa – wieder auf der Karte des Alten Kontinents.
Der Tag der Unabhängigkeit Bulgariens ist aber bei weitem nicht nur ein „Zaren-Fest“. Er ist ein großer Erfolg der jungen bulgarischen Diplomatie, die geschickt die günstige außenpolitische Situation genutzt hat, um die Unabhängigkeit des Staates ohne einen militärischen Konflikt zu erkämpfen.
Der 109. Jahrestag der Unabhängigkeit Bulgariens, die Fürst Ferdinand in der Kirche der Heiligen 40 Märtyrer in der mittelalterlichen bulgarischen Reichshauptstadt Tarnowo erklärte, gibt Anlass, uns zu fragen, ob wir würdige Fortsetzer dieser weitsichtigen und patriotischen Tat unserer Vorfahren sind. In diesem Zusammenhang sprachen wir mit Vertretern der akademischen Kreise in Sofia.„Die Frage, warum wir die Unabhängigkeit heute mit unserem Herzen, unserer Haut und Seele nicht fühlen, hat viele Dimensionen“, sagt Todor Popnedelew, Professor an der Fakultät für Geschichte der Sofioter Universität „Hl. Kliment von Ohrid“. „Das ist aus vielen Gründen so. Eine lange Zeit nach 1944 wurde das Manifest vom 22. September 1908 in den Lehrbüchern als eine Aktion eines Teils der politischen Elite beschrieben. Auch in früheren Zeiten wurde es angenommen, dass die bulgarische Bourgeoisie seit diesem Tag Kriege aus chauvinistischen Gründen zu führen begonnen hatte. Das ist eine Extreme, die sich aber in den Köpfen von Generationen von Bulgaren eingewurzelt hat. Im hektischen und schweren Alltag der heutigen Zeit, in der das Denken vieler Bulgaren oft auf das bloße Überleben reduziert ist, denkt man an den Tag der Unabhängigkeit – wenn überhaupt – nur am Tag der Unabhängigkeit nach. Allerdings ist das ein wichtiger Akt, ein Höhepunkt einer Reihe von Ereignissen in der bulgarischen Geschichte im 19. Jahrhundert wie die Wiedergeburt, die Befreiung und die Vereinigung“, sagt Professor Todor Popnedelew.
Wir nahmen den heutigen Tag der Unabhängigkeit zum Anlass und fragten einige junge Bulgaren, inwieweit sie sich unabhängig fühlen, sei es gesellschaftlich, politisch oder kulturell. Wovon hängen wir heute im 21. Jahrhundert ab?
Der Student Daniel Dinew fühlt sich persönlich nicht unabhängig und nimmt die Unabhängigkeit nur als eine Kategorie in der Geschichte und der Politik wahr: „Ich bin finanziell abhängig, abhängig von den Regeln in diesem Staat, in der Universität. Die Abhängigkeit besteht darin, die Entscheidungen der Vorgesetzten und der Regierenden zu beachten. Wir haben wenig Recht und Chance, etwas zu ändern, obwohl es für viele Unregelmäßigkeiten keine Strafe gibt. Unser Justizsystem funktioniert nicht gut, die Justiz schützt den Menschen nicht fair und er ist also abhängig von den subjektiven Interessen und Entscheidungen.“
Die Studentin an der Sofioter Universität für Architektur Gabriel Iwanowa sieht die Unabhängigkeit als einen Ausdruck der persönlichen Qualitäten und der Individualität. Unabhängig zu sein, bedeutet laut ihr, sich an der Schaffung der neuen Welt tatkräftig zu beteiligen und nicht alten Modellen zu folgen, obwohl die Neuerer oft einen hohen Preis für ihre Unabhängigkeit zahlen müssen.
„Die Unabhängigkeit soll ein Hauptwert für die jungen Menschen in Bulgarien werden", sagt Ani Dikljowska, Studentin aus Stara Sagora. „Das bedeutet, mehr an sich selbst glauben, seine Rechte kennen und sie behaupten. Jeder junge Mensch und Student ist von seinen Eltern wirtschaftlich abhängig, deshalb soll der Staat bessere Bedingungen für Studentenjobs schaffen, damit sich die Studenten unabhängiger fühlen können.“
Laut dem Studenten Georgi Georgiew ist der Tag der Unabhängigkeit einer unserer wichtigsten Feiertage, an dem wir aus dem Alltag ausbrechen, unser Unglück vergessen und uns daran erinnern sollen, dass es immer auch schlimmer sein könnte. „Jeder hat das Recht, sich selbst als unabhängig zu akzeptieren, solange er die anderen damit nicht stört“, meint der Student Georgi Georgiew.
Übersetzung und Redaktion: Mihail Dimitrov
Fotos: Gergana Mantschewa und BGNES
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