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Bulgarien ehrt am 1. November seine Volksaufklärer

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Foto: Archiv

Zum ersten Mal wurde der Tag der Volksaufklärer im Jahre 1909 in der südbulgarischen Stadt Plowdiw begangen. Wenige Jahre später schlug eine Gruppe angesehener bulgarischer Intellektueller vor, diesen Tag als landesweiten Festtag zu feiern. Der Vorschlag wurde angenommen – 1922 erklärte das Parlament den Tag zum gesetzlichen Feiertag. In der Verordnung lesen wir: „Der 1. November soll ständiger nationaler Feiertag werden, der im Angedenken an all jene Bulgaren begangen werden soll, die in nationaler und kultureller Sicht zu Aufstieg und Prosperität beigetragen haben“. Mit Erlass des Zaren Boris III. vom 1. November des Jahres 1923 wurde der Ehrentag in den gesamtbulgarischen Festtagskalender eingetragen.

Der Tag der Volksaufklärer wurde nicht zufällig auf den 1. November gelegt. An diesem Tag ehrte die Bulgarische Orthodoxe Kirche nach altem Kalender den heiligen Iwan aus dem Rilagebirge. Denn noch bevor es diesen speziellen Feiertag gab, gedachten die Bulgaren aller ihrer geistigen Väter, angefangen vom ersten bulgarischen christlichen Märtyrer, Bojan Enrawota, Sohn des Khans Omurtag, über den Bekehrer zum Christentum, dem Zaren Boris und dem ersten bulgarischen Heiligen, dem Iwan vom Rilag-Gebirge aus dem 10. Jahrhundert, dem Schöpfer der ersten umfangreichen Reform der Schriftsprache und Verteidiger der Reichshauptstadt Tarnowo vor den Türken, Patriarch Ewtimij, bis hin zu der Vielzahl der Ideologen und Kämpfer für die nationale Befreiung.

Aus der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt des 18. und 19. Jahrhunderts seien unter den geistigen Vätern des bulgarischen Volkes der Athosmönch Paisij aus dem Hilendar-Kloster genannt, der seit 1762 seine „Slawo-bulgarische Geschichte“ unter die Volksmassen brachte, und Bischof Sofronij von Wratza, der das erste 1806 gedruckte Buch in neubulgarischer Sprache schrieb. Die Bulgaren ehren am 1. November Lehrer, wie Rajno Popowitsch und Dr. Peter Beron, der das erste neuzeitliche bulgarische Schulbuch verfasste, aber auch Künstler aus jener Epoche, wie den Ikonenmaler Sacharij Sograf, die Schriftsteller Dobri Wojnikow, Vater und Sohn Slawejkow, Iwan Wasow, Pejo Jaworow, Dimtscho Debeljanow, Christo Smirnenski, Nikola Wapzarow, Dimitar Talew und nicht zu vergessen die Gebrüder Miladinow mit ihrer Volksliedersammlung.

Zu den Volksaufklärern werden in Bulgarien auch die bekannten und unbekannten Freiheitskämpfer gezählt, die sich gegen die türkische Fremdherrschaft auflehnten. Nennen wollen wir die Wegbereiter Hadschi Dimitar und Stefan Karadscha, wie auch die Revolutionäre Georgi Rakowski, Wassil Lewski, Christo Botew, Georgi Benkowski und viele andere mehr. Vergessen sind auch nicht die Tausenden Mönche, die in all den Jahrhunderten den bulgarischen Geist in den Klöstern wach gehalten haben. Gibt es jedoch Volksaufklärer auch heute noch? …

Anna Walkowa

Seit über 30 Jahren arbeitet Anna Walkowa in der Bibliothek des Kulturhauses im kleinen Dorf Karnare nahe der Stadt Karlowo. Sie ist aber nicht einfach eine Bibliothekarin, sondern liest den Kindern auch gern vor, um sie für die Bücher zu begeistern. Sie meint Karnare sei ein europäisches Dorf, weil es alles besitze, vor allem wunderbare Lehrer:

Leider lesen heutzutage immer weniger Kinder; viele haben sogar Schwierigkeiten beim Lesen“, konstatiert sie traurig. „Es ist leider eine Massenerscheinung, weil sie lieber mit ihren Smartphones und Tablets spielen. Vor allem in den Ferien versammle ich tagtäglich die Kinder im Lesesaal der Bibliothek. Immer finde ich Zeit, ihnen aus einem Buch vorzulesen. Auch holen wir das versäumte in der Schule nach – wir machen Diktate und verbessern dann gemeinsam die Fehler; auch lasse ich sie selbst etwas laut vorlesen. Zusammen lösen wir auch Matheaufgaben, gehen aber auch ins Freie und besichtigen interessante Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Unterwegs erzähle ich ihnen über die Geschichte und die Persönlichkeiten unserer Region. Alle sind hell auf begeistert und kommen immer wieder in das Kulturhaus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kinder ins Kulturhaus gehen und plötzlich vor verschlossenen Türen stehen; aus diesem Grund mache ich einfach keinen Urlaub im Sommer.“

Die Kulturhäuser haben in der bulgarischen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt und spielen sie anscheinend noch heute – das jedoch Dank solcher Menschen, wie Anna Walkowa, denen der Tag der Volksaufklärer besonders am Herzen liegt.

Ich bin sehr verärgert, dass Halloween bei uns so populär geworden ist; dabei haben wir ein ähnliches Fest für den Mummenschanz. Es überschattet den Tag der Volksaufklärer. Ich habe gehört, dass in einigen Kulturhäusern eher Halloween gefeiert wird, anstatt der Volksaufklärer zu gedenken. Wir bei uns im Dorf halten an unseren alten Bräuchen fest und veranstalten verschiedene Maskeraden am Käsefastensonntag, der die Osterfastenzeit einleitet. Das ist unser bulgarisches Fest. Warum sollten wir es durch fremde Feste ersetzen?

Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow



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