Um 22.30 Uhr am 11. November 1952 wurden im Hof des Zentralgefängnisses in Sofia vier katholische Geistliche erschossen. Anstatt die Protokolle der gegen sie erdachten Prozesse zu unterzeichnen, haben sich Bischof Ewgenij Bosilkow und die Priester Kamen Witschew, Pawel Dschindow und Josafat Schischkow für den Märtyrertod entschieden. Und da das Regime daran interessiert war, jegliche Erinnerung an sie zu tilgen, hüllte man sich über ihre Ermordung bis zum Jahr 1975 in Schweigen, bis der damalige Staats- und Regierungschef Todor Schiwkow persönlich vor Papst Paulus IV. im Vatikan das Verbrechen gestanden hat. Die Kirche hat ihre Märtyrer nicht vergessen und sie wurden von Papst Johannes-Paul II. seliggesprochen.
Die katholische Gemeinschaft in Belene, angeführt von Pater Paolo Cortesi, hat Ende vergangener Woche eine nationale Andacht zum 65. Jahrestag seit dem Märtyrertod der vier Geistlichen organisiert – mit einer Liturgie in der Sofioter Kathedrale „Hl. Josef“, Gebeten und einer Kranzniederlegung am Sofioter Zentralfriedhof und am Mahnmal der Opfer der Kommunismus in Sofia (da man bis zum heutigen Tag nicht weiß, wo ihre Gräber sind).
„Wir ehren sie, weil unter ihnen auch ein Sohn Belenes ist – Monsignore Ewgenij Bosilkow. Bevor sie für uns Katholiken zu Heiligen wurden, sind sie gute Söhne Bulgariens gewesen, kluge Menschen, Aufklärer der Nation, die gemäß dem christlichen Glauben gelebt und Gutes getan haben“, meinte Pater Cortesi.
Ewegenij Bosilkow hat im Jahr 1900 das Licht der Welt erblickt und wurde am Tag seiner Geburt getauft. Als Kind spielte er eines Tages am Ufer der Donau, fiel in den Fluss und wurde vom Wasser verschlungen. Er konnte sich wie durch ein Wunder retten, nachdem seine Mutter die Muttergottes um Beistand anflehte. Im Zeichen des Dankes legte sie ein Gelübte ab, den Jungen der Kirche zu weihen. Und so wurde er mit elf Jahren in das katholische Priesterseminar der Passionisten im Dorf Oresch aufgenommen und später nach Belgien, in die Niederlande und Italien gesandt. Nach einer intensiven zehnjährigen Ausbildung im Ausland kehre er in die Heimat zurück und wurde 1926 zum Priester ordniniert.
„Dieser in Belene geborene Mann hat eine europäische Bildung erhalten und sprach elf Sprachen“, erzählt Pater Paolo Cortesi. „Sein Vorbild lehrt uns zu lesen, unser Interesse wach zu halten und nie mit dem Lernen aufzuhören. Zudem sind der selige Ewgenij und die anderen Märtyrer echte Geistliche gewesen. Sie bestärken uns in unserem Glauben an Gott, weil das Leben nicht nur materiell ist. Und sie bringen uns Nächstenliebe bei. Ewgenij Bosilkow hat 13 Jahre im Dorf Bardarski Geran gedient, wo er sich um die Armen und die Jugendlichen gekümmert hat. Auch wir können den jungen Generationen viele Gutes als Geschenk darbieten: den Glauben, die Bildung und das Streben, Gutes zu tun“, sagte Pater Paolo Cortesi.
1947 hat Papst Pius XII. Ewgenij Bosilkow zum Bischof des Bistums Nikopol ernannt. Zeitgleich schwoll seine Stasi-Akte auf 8.000 Seiten an. Der damalige Staatschef Georgi Dimitrow verlangte von ihm und zwei anderen hohen Geistlichen, ihre Verbindungen zur katholischen Kirche in Rom abzubrechen. Als sie entschieden ablehnten, wurden sie Verfolgungen, Verhaftungen, schrecklichen Folterungen ausgesetzt und schließlich erschossen.
„Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach“, sagte Jesus Christus, als er unterschiedliche Prüfungen im Namen des Glaubens vorhersagte. Und obwohl heutzutage das Leben der Geistlichen nicht direkt bedroht ist, werden manche von ihnen Verfolgungen ausgesetzt und stehen vor einer Wand aus Hass, Unverständnis und Neid. Aus reiner Nächstenliebe wollte Pater Paolo Cortesi eine Familie syrischer Flüchtlinge aufnehmen und wecke damit die Aggression bulgarischer Nationalisten, so dass er sich gezwungen sah, Bulgarien zu verlassen.
„Diese Geste kam nicht von mir, sondern von der örtlichen katholischen Gemeinschaft“, sagte der unlängst wieder zurückgekehrte Pater. „Ich wundere mich, wie ein gutes, legales Unterfangen auf so viel Hass stoßen kann. Diese Flüchtlinge waren bescheidene Leute, ihr Aufenthalt war mit der Staatlichen Flüchtlingsagentur und der Wohltätigkeitsorganisation „Caritas“ geregelt. Ich hatte bis dahin nie etwas Ähnliches erlebt und hoffe, dass es sich nicht wiederholt. Ich wünsche allen, die Gutes tun wollen, mutig zu sein und die Gesetze, das Evangelium und die menschlichen Werte zu befolgen, denn wir sollten nicht nur mit Worten, sondern in Taten lieben und helfen. Unsere Gemeinschaft wird auch künftig versuchen, Hilfebedürftige ohne Grenzen zu unterstützen, genau wie wir vielen Bulgaren, Romas und Flüchtlingen helfen. Die Hälfte der Einwohner von Belene sind übrigens auch Flüchtlinge überall auf der Welt, weil sie hier keine Arbeit haben. Ich hoffe, dass die Leute sie aufnehmen und ihnen helfen werden“, meinte abschließend Pater Paolo Cortesi.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Privatarchiv
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