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Neuer EK-Fortschrittsbericht über Bulgarien ruft entgegengesetzte Interpretationen hervor

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BSP-Chefin Kornelia Ninowa
Foto: BGNES

Der jüngste, nunmehr 17. Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission über Justiz und Inneres in Bulgarien rief in den politischen Kreisen heftige Kontroversen hervor. Laut der regierenden Koalition der GERB-Partei und der „Vereinten Patrioten“ sei der Bericht objektiv und letztendlich positiv ausgefallen, weil keine neuen Empfehlungen gegeben und Fortschritte zu den alten bescheinigt werden. Anlass zur Zufriedenheit gebe der Regierung die Tatsache, dass in Aussicht gestellt wurde, die Anfertigung von Fortschrittsberichten im kommenden Jahr einzustellen. Die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) spricht ihrerseits von einem „Einbruch“ und die „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS) von einem „objektiven Einbruch“ in den Bereichen Justiz und Inneres. Die Sozialisten interpretieren die partielle Umsetzung der Empfehlungen, dass im Endeffekt keine einzige erfüllt worden sei. Die DPS unterstreicht ihrerseits die Anmerkung, dass keine der Empfehlungen „zufriedenstellend“ erfüllt wurde, wie der Bericht hervorhebt.

Der kleine Koalitionspartner in der Regierung, die „Vereinten Patrioten“, hatten ihrerseits gegen den Fortschrittsbericht eingeworfen, dass er entweder abgeschafft oder auch für alle anderen europäischen Länder eingeführt und nicht nur für Bulgarien und Rumänien gelten solle. Laut den Patrioten würden sich in anderen EU-Ländern sogar schlimmere Dinge als in Bulgarien und Rumänien ereignen.

Die Tatsache, dass das Monitoring fortgesetzt wird, motiviert in keiner Weise die Parlamentsfraktionen gemeinsam die bemängelten Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Als der Bericht im Parlament offiziell vorgestellt wurde kam es zu einem Skandal, als die Sozialisten vom Premierminister Bojko Borissow forderten, er solle seine Aussage konkretisieren, in der angedeutet hatte, dass einige der Abgeordneten in Rauschgiftschmuggel und Stimmenkauf verwickelt seien. Parlamentspräsident Dimitar Glawtschew verwies die BSP-Chefin Kornelia Ninowa der Sitzung, woraufhin die linke Fraktion begann, Unterschriften für die Absetzung des Parlamentspräsidenten zu sammeln. Die Abgeordneten der BSP verließen den Saal und nach ihnen folgten die der DPS.

Die Kontroversen in der Interpretation des Fortschrittsberichts geschehen parallel zu den Spannungen in Verbindung mit der Initiative der GERB-Partei zu Verfassungsänderungen, durch die die Verjährungsfrist für Verbrechen in den Privatisierungsgeschäften 1992 bis 2017 aufgehoben werden soll. Diese Initiative erfolgt zu einer Zeit, da die Sozialisten einen Misstrauensantrag gegen die Regierung vorbereiten, der sie Korruptionsmachenschaften vorwerfen. Ninowa forderte nun im Gegenzug, dass auch die Konzessionsvergabe in der genannten Periode näher unter die Lupe genommen werden müsse. Der Fortschrittsbericht schlug nunmehr einen weiteren Keil zwischen Regierung und Opposition, die sich gegenseitig der Korruption bezichtigen. Dabei ist dieser Streit im Grunde genommen sinnlos, zumal beiden Seiten die Verantwortung für die Probleme zukommt, da sie jeweils abwechselnd an der Macht waren.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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