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Die Regisseurin Adela Peewa über den haarfeinen Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus

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Heute Abend erlebt der neueste Film der Regisseurin Adela Peewa seine Premiere. Ihr Streifen „Es lebe Bulgarien“ wird im Rahmen des Filmfestivals „Kinomanie 2017“ gezeigt. Peewa beleuchtet diesmal heikle Themen, wie Nationalismus, Nationalisten, Wiedergeburt des extremen Nationalismus, wie auch den haarfeinen Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus.

Der Film enthält keine Sprechertexte, d.h. er stellt keine Wertung seitens der Filmemacherin vor, jedoch nicht weil Adela Peewa keine eigene Meinung besitzt. Die hat sie und das klingt deutlich aus dem Interview heraus, das sie uns am Vorabend der Premiere gab:

СнимкаMein Aufgabe bestand darin, die Problematik in ihrer Tiefe zu beleuchten“, erzählt sie uns. „Es ist übrigens der erste bulgarische Film, der sich mit dem Nationalismus von heute auseinandersetzt. Jeder weiß, was gemeint ist, geht aber diesem Thema aus dem Wege.“

Peewa hat das Drehbuch für den Film geschrieben und führte auch die Regie. Ganze drei Jahre lang nahm ihr Team verschiedene Aktivitäten der Haupthelden des Streifens auf, die aus Sofia, Stara Sagora und Plowdiw stammen.

Die Menschen, die ich aufgenommen habe, sind sehr jung – im Alter von 13 oder 14 Jahren. Sie fühlen sich als Patrioten, hängen jedoch deutlich dem Nationalismus an. Sie werden von einem patriotischen Gefühl gеleitet und meinen, dass sie alles im Namen eines besseren Bulgarien tun. Sie rutschen aber leicht aus und verfallen in Nationalismus. Sie bringen meiner Ansicht nach die Begriffe durcheinander. Es gibt viele Fragen. Was verbirgt sich hinter dem Patriotismus, bis wohin erstreckt er sich und wird der Begriff nicht missbraucht? Ich habe in Schulen in Stara Sagora gedreht, wo sich Kinder an Umzügen beteiligen. Wie passiert das? Einmal sehen wir sie in den Reihen von heimatverbundenen Umzügen, in denen sie „Es lebe Bulgarien“ rufen und dann beteiligen sie sich an Umzügen der Nationalisten mit Fackeln in der Hand. In Sofia und Plowdiw wiederum habe ich die Massenumzüge gefilmt, die sich „Lukow-Märsche“ nennen. Mit ihnen erinnert man an den bulgarischen General Lukow, der Anhänger des Dritten Reiches war und die Teilnahme Bulgariens am Zweiten Weltkrieg auf Seiten Deutschlands befürwortete. Lukow war von 1935 bis 1938 Kriegsminister und Vorsitzender des Verbandes der Bulgarischen Nationalen Legionen – eine Organisation, die in der heutigen Bulgarischen Nationalen Union weiterlebt. Zu den Fackelumzügen in Bulgarien kommen Gäste aus dem Ausland, die ähnlichen Organisationen angehören.“

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Die Idee zu dem Film kam Adela Peewa bei den Dreharbeiten für den Dokumentarfilm über den legendären bulgarischen Flieger Dimitar Spissarewski, der im Zweiten Weltkrieg in einem Luftgefecht ums Leben kam. Er rammte einen amerikanischen Bomber und hinderte ihn daran, seine tödliche Last über Sofia abzuwerfen.

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Ich filmte eine Gedenkveranstaltung am Grab von Spissarewski. Ich wurde neugierig zu erfahren, wer diese jungen Männer sind, da sich unter ihnen intelligente Menschen befanden. Und dann fragte ich mich, wie der Mechanismus zur Erfassung der Begriffe Patriotismus und Nationalismus funktioniert. Besitzen die jungen Menschen einen Maßstab? Meiner Ansicht nach haben sie ihn nicht. Erziehen die Eltern, die Lehrer, die Kulturinstitutionen die Kinder Bulgariens richtig? Werden sie nicht durch das Schweigen der Öffentlichkeit zum Extremismus ermutigt? Im Film „Es lebe Bulgarien“ werden Ausschnitte von den Feierlichkeiten am Nationalfeiertag am 3. März gezeigt. Als die Lehrerin fragt, was ein Nationalfeiertag ist, antwortet ein Junge, dass es ein Feiertag für die Bulgaren ist und nicht für die Ausländer und Zigeuner. Neben ihm saßen drei Mädchen dieser ethnischen Gemeinschaft, die nach dieser Aussage nicht aus noch ein wussten. Die Kinder, die solcher Meinung sind, sehen wir dann auf den Fackelumzügen. Da fragt man sich, was das für ein falschverstandenes patriotisches Gefühl ist, dass sie sich an nationalistischen Veranstaltungen beteiligen?


Als der Film von Adela Peewa angekündigt wurde, fragten sie viele, ob er „politisch korrekt“ sei und ob sie sich nicht eine Selbstzensur auferlegt habe?

Nein, ich habe das nicht beachtet“, antwortet sie. „Es hat keinen Sinn, etwas zu tun, wenn man der Konjunktur folgt. Das Problem ist besorgniserregend und der Film ist erschütternd. Er endet mit dem berüchtigten Lukow-Marsch, der jedes Jahr im Februar veranstaltet wird. Angeblich ist er nur teilweise erlaubt, findet aber jedes Mal statt. Im kommenden Jahr wird es wegen der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft strengere Sicherheitsmaßnahmen geben und der Marsch wird sicher nicht durchgeführt werden können. Doch wir werden den EU-Vorsitz abgeben und erneut mit dem Problem konfrontiert werden. Wir müssen etwas unternehmen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder extreme Nationalisten werden. Wenn uns das kalt lassen sollte, müssen wir das Problem in uns selbst suchen.

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Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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