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Von der Baugrube zum Milliarden verschlingenden Finanzloch – die Fata Morgana „Belene“

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Foto: Archiv

Das Projekt für den Bau des Kernkraftwerks „Belene“ stammt noch aus der Zeit des Sozialismus von vor 40 Jahren. Gebaut wurde es jedoch nicht. Dafür hat sich die Baugrube, wie Premierminister Bojko Borissow treffend vermerkte, in ein schwarzes Finanzloch verwandelt, das mittlerweile ohne nennenswerte Ergebnisse rund 2 Milliarden Euro verschlungen hat.

Ein Großteil der Gelder wurde für den Bau der umliegenden Infrastruktur verwendet, die jetzt niemand braucht. Rund 600 Millionen Euro wurden für zwei Reaktorblöcke gezahlt, die in Russland bestellt wurden und die, obwohl das Projekt vom bulgarischen Parlament auf Eis gelegt wurde, dennoch gebaut und geliefert wurden. In den vergangenen Tagen wurde bekannt, dass das Schiedsgericht entschieden habe, dass 32 Millionen Euro an die Consulting-Firma WorleyParsons Nuclear Services, die das Projekt betreut, zu zahlen sind, da es Lücken im Vertrag gibt, verursacht durch die Inkompetenz bulgarischer Juristen. An WorleyParsons wurden bereits 265 Millionen Euro gezahlt.

Das überteure Projekt, dass laut Hochrechnungen rund 10 Milliarden Euro kosten soll, führt zu hitzigen Diskussionen und Konflikten in politischen und Energiekreisen. Es geht um die Frage, ob Bulgarien überhaupt ein zweites Atomkraftwerk braucht und welchen wirtschaftlichen Nutzen es hätte. Die Atomlobby behauptet, dass es in 10 bis 15 Jahren, solange soll der Bau in Belene dauern, in Bulgarien ein Defizit an billiger Elektroenergie geben wird. Die fehlende Elektroenergie könne dann nur das neue Atomkraftwerk liefern.

Die Gegner des Projekts widersprechen dieser These und behaupten im Gegenzug, dass die neue Energiekapazität vor dem Hintergrund des niedrigen Strompreises in Bulgarien, der Armut unter der Bevölkerung und der schwach entwickelten Industrie niemals rentabel sein werde. Ein weiteres Argument ist der ständig zurückgehende Verbrauch von Elektroenergie. Außerdem seien die klassischen Wärmekraftwerke, das alte Atomkraftwerk Kosloduj und die alternativen Energiequellen aus Wind- und Solaranlagen in der Lage, mittelfristig den Bedarf an Strom zu decken. Auch die EU-Maßnahmen zur Eingrenzung der von Wärmekraftwerken produzierten Elektroenergie auf Grund ökologischer Bedenken schreckt sie nicht zurück.  Problematisch bleibt die Zukunft des zweiten Atomkraftwerks auch wegen den Bedingungen, die den potenziellen Investoren auferlegt werden. Der Regierung zufolge müsse das neue Kraftwerk vorwiegend privat mit einem Mindestanteil des bulgarischen Staates gebaut werden. Es sollte ohne staatliche Hilfen, Subventionen und garantierten Aufkaufpreisen für Strom arbeiten.  Experten weisen darauf hin, dass nirgendwo in der Welt ein Atomkraftwerk ohne jedwede staatliche Beteiligung gebaut wurde.

Die bulgarischen Behörden haben inzwischen versucht, die von Russland gelieferten Reaktorblöcke zu verkaufen. Bislang erfolglos. Es wird auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, sie im Atomkraftwerk Kosloduj einzusetzen.

Widersprüche, Mangel an Professionalität und einer klaren Strategie für das Energiewesen, Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Lobbys, gerichtliche Strafmaßnahmen gegen Bulgarien und riesige Summen, die umsonst ausgegeben wurden, kennzeichnen das Projekt Belene, das einer Fata Morgana gleicht.

Um das Dilemma dieses zweifelhaften Projekts zu beenden, muss eine politische Lösung gefunden werden. Es ist offensichtlich, dass der sinnlosen Vergeudung öffentlicher Mittel so schnell wie möglich Einhalt geboten werden muss, um die Interessen des Staates und der Bürger zu schützen.

Übersetzung: Georgetta Janewa



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