Durch Einwirkung auf die Sinneswahrnehmungen will eine ungewöhnliche Ausstellung die Kommunikation zwischen Menschen aus einem gemeinsamen Umfeld erleichtern. Das Ziel des Unterfangens ist, dass sie ihre Unterschiede überwinden, sich miteinander verbunden fühlen und gemeinsam die Stadt erschließen, welche sie tagtäglich mit ihren Emotionen und Erlebnissen bereichern.
Denn eine Stadt machen nicht nur ihre Gebäude, Straßen und Gehwege aus, sondern auch die Erfahrungen ihrer Bewohner. Deshalb versuchen Wissenschaftler, eine Stadt zu ergründen, indem sie die Kommunikationen und Beziehungen, die die Stadtbewohner untereinander eingehen, unter die Lupe nehmen. Auf diese Methodik setzen auch die Wissenschaftler vom Lehrstuhl „Ethnologie“ bei der Plowdiwer Universität. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Zonen von Sensibilität und Sensorik zwischen Menschen mit Behinderungen und Behörden zu erforschen. Während einer internationalen Konferenz in Plowdiw stellten sie ihr Projekt „Sensorische Ethnographie der Stadt“ vor.
„Sensorische Ethnographie ist ein wissenschaftliches Verfahren, das Arbeit vor Ort voraussetzt. Wir begeben uns zu einem bestimmten Ort und beobachten die Menschen mit ihren Beziehungen und Kulturmodellen“, erklärt Meglena Slatkowa. „Unser Forschungsobjekt bei diesem Projekt ist die Stadt als unser gemeinsamer Wohnort. Wir haben den Akzent auf die Sensorik gesetzt, da sie die unsichtbaren Verbindungen zwischen den Stadtbewohnern aufdeckt. Denn wir alle haben Sinneswahrnehmungen und fühlen, sehen, hören, riechen, kosten und spüren die Stadt.“
Die Wahl der Wissenschaftler für ihre Studien vor Ort fiel auf zwei Sozialbehörden. Dort wurden sie Zeuge, wie Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen auf Unverständnis und die Unmöglichkeit stoßen, ihre Bürgerrechte wahrzunehmen. Wenn beispielsweise ein blinder Mensch bestimmte Dokumente ausfüllen muss, sieht er sich gezwungen, sich einem zufälligen Menschen anzuvertrauen und ihm seinen Personalausweis auszuhändigen, da es den Angestellten verboten ist zu helfen. Mit ganz einfachen Maßnahmen ließe sich dies – durch Aufschriften für Sehbehinderte in den Büros und durch Akustikhilfen. Und das ist nur ein Beispiel, das in der Diskussion „Die Institutionen im „Dialog“ mit Bürgern mit Behinderungen“ angeführt wurde.
„Das Wort „Dialog“ steht nicht von ungefähr in Anführungsstrichen, denn wir haben die Schwierigkeiten infolge der unterschiedlichen Sensorik der Bürger bei der Kommunikation mit den Institutionen gesehen“, erklärt Meglena Slatkowa. „Und auch die Schwierigkeiten, die im Gegenzug auch die Sozialmitarbeiter haben sowie deren Unvermögen, sich mangels spezialisierter Ausbildung in die Lage der Menschen mit Behinderungen zu versetzen. Während wir vor Ort waren, haben sie ihre Probleme mit uns geteilt, die auch aus der Politik des Staates resultieren. Bedauerlicherweise können wir ihnen keine Lösung aufzeigen. Aber es liegt in unserer Hand, die kleinen Dinge zu ändern – indem wir beispielsweise jeden Menschen achten, damit er sich nicht diskriminiert fühlt, nur weil er eine Behinderung hat.“
Das ist auch die Botschaft der interaktiven sensorischen Ausstellung, die im Rahmen der Konferenz eröffnet wurde. Nur, wenn wir uns in die Lage des anderen versetzen, werden wir ihn verstehen und mit ihm unsere gemeinsame Welt gleichberechtigt teilen können.
„In der Ausstellung kann jeder in die Rolle eines Menschen mit Behinderungen oder eines Sozialarbeiters schlüpfen. Wir setzen auf Audioinstruktionen und bestimmte Gerüche, die am häufigsten in den Warteräumen der Institutionen vorkommen, damit sich die Menschen mittels sensorischer Aufgaben der Schwierigkeiten bewusst werden, die beide Seien haben. Um beispielsweise nachvollziehen zu können, was ein sehbehinderter Mensch empfindet, bekommt man die Aufgabe, Dokumente mit verbundenen Augen auszufüllen. Indem man die Audioinstruktionen befolgt, muss man die Aufgabe mit Hilfe einer Schablone meistern, die die Arbeit von sehbehinderten Menschen erleichtert. Die von uns ausgearbeiteten Hilfsmittel werden wir unterschiedlichen Sozialbehörden zur Verfügung stellen, inklusive dem Nationalen Zentrum zur Rehabilitation von Blinden, wo man bereits Interesse dafür bekundet hat."
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Privatarchiv und aceamediator.com
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