In der heutigen Digitalära werden immer weniger reguläre Postkarten verschickt. Viele greifen auf die elektronische Variante zurück. Anders aber beim Postcrossing. Dieses einmalige Projekt wurde 2005 von Ana Campos und Paulo Magalhães aus Portugal ins Leben gerufen.
„Beim Postcrossing senden sich Leute aus aller Welt Postkarten zu und erhalten nach dem Zufallsprinzip ebenfalls Postkarten von anderen Leuten zurück. Ich hatte anfangs den Eindruck, dass das ziemlich zeitaufwendig ist, meinte aber, es ist einen Versuch wert“, sagt Iwelina Tscholakowa, die seit anderthalb Jahren ein überzeugter Postcrosser ist. „Man muss sich zuerst auf der Plattform anmelden und angeben, was für Interessen man hat und zu welchem Thema man gern Postkarten erhalten möchte. Als Neueinsteiger bekommt man weniger Adressen, an die man Karten verschicken kann. Je mehr Karten man jedoch sendet, umso mehr Möglichkeiten hat man, an neue Adressen zu kommen“, erklärt Iwelina Tscholakowa die ganz einfachen Postcrossing-Regeln. Die erste Postkarte, die sie selbst bekommen hat, stammte aus Japan.
„Ich kann mich noch sehr gut an sie erinnern“, lächelt Iwelina Tscholakowa. „Sie lag zerknautscht und durchgefaltet im Postfach und hatte offensichtlich einiges mitgemacht. Trotzdem habe ich mich sehr darüber gefreut.“
Das System ist derart organisiert, dass die verschickten und die erhaltenen Postkarten gleich an der Zahl sind. Dabei gibt es zwei Varianten, eine Postkarte zu versenden. Bei der ersten wird sie traditionsgemäß in einen Briefumschlag gelegt. Massenweise zieht man aber die zweite Variante vor – unverpackte Postkarten, die mit Briefmarken frankiert werden, welche ebenfalls nach Möglichkeit schön anzusehen und interessant sein sollten. Auf der Reise zu ihrem Empfänger wird die Postkarte dann mit etlichen Stempeln versehen.
Im April 2017 hatten sich mehr als 676.000 Menschen aus 208 Ländern am Projekt registriert. Viele davon sind Kinder.
„Die Leute sind viel aufmerksamer, wenn sie Postkarten an Kinder senden“, ist Iwelina Tscholakowa überzeugt. „Ich hatte einen Fall mit einem Englischlehrer aus einer französischen Provinz, der seinen Schülern zuliebe ein Profil eingerichtet hatte, mit der Bitte, sich beim Versand der Postkarte mit ein paar einfachen Worten an die Kinder zu wenden und ihnen einige Fragen zu stellen. Diese wiederum antworten auf ihrer Internetseite und üben so die Sprache.“
Einer der interessantesten Briefe, die Iwelina Tscholakowa bislang erhalten hat, kam von einer Schülerin aus Indien, die darin ziemlich ausführlich über ihr Leben berichtet. Am Ende des Briefes sind das Logo der indischen und der bulgarischen Post zu sehen. „Sie hatte sich bemüht, auf der einen Seite der Briefumschlags so viele Briefmarken aufzukleben wie es nur geht und die andere hatte sie mit ausgeschnittenen Bildern bekannter indischer Schauspielerinnen versehen“, erzählt Iwelina Tscholakowa. Ein Junge aus einer internationalen Gruppe wiederum wollte seine Freundin zum Geburtstag überraschen und hat die anderen Postcrosser gebeten, ihr Geburtstagskarten zu schicken. Natürlich hat sich auch Iwelina Tscholakowa an dieser Initiative beteiligt. Und das Geburtstagskind konnte sich über mehr als 1.000 Grußkarten aus aller Welt freuen.
„Besonders interessant und beeindruckend in letzter Zeit war für mich eine 3D-Postkarte aus Barecelona“, gesteht Iwelina Tscholakowa. „Über eine Smartphone-App kann man, indem man die Karte hin und her dreht, das Gebäude darauf von allen Seiten betrachten. Zugleich erklärt ein Guide auf mehreren Sprachen, um was für ein Gebäude es sich dabei handelt, wer es errichtet hat, wo es sich befindet. Man hat auch die Möglichkeit, sich ein Ticket zu kaufen, um es zu besuchen. In der heutigen Zeit haben wir die Chance, unterschiedliche historische Sehenswürdigkeiten auf eine immer interaktivere Art und Weise kennenzulernen“, meint Iwelina Tscholakowa.
Sie hat in ihrer Sammlung auch eine Postkarte von der weltweit kleinsten real funktionierenden Postfiliale, die sich auf einer Insel in Neuseeland befindet. Die schönsten Postkarten kommen aber nach Ansicht von Iwelina Tscholakowa aus Russland.
„Dieses Hobby sorgt für positive Emotionen. Es lohnt sich, jemandem eine Freude zu bereiten, indem man ihm eine handgeschriebene Postkarte zukommen lässt. Ich bin jedem Tag gespannt, was ich in meinem Briefkasten vorfinde. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass sich inmitten all der Broschüren und Rechnungen auch etwas Schönes befinden könnte“, sagte Iwelina Tscholakowa abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Privatarchiv
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