Vor Jahren, als das Netz von Schutzgebieten „Natura 2000“ errichtet wurde, haben die meisten Bulgaren, darunter auch die Politiker, es eher als Hürde denn als Entwicklungschance gesehen. Den in das bulgarisch-schweizerische Programm zur Verknüpfung von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung des ländlichen Raums eingebundenen Umweltexperten ist es jedoch ungeachtet allen Skeptizismus gelungen, die wirtschaftlichen Chancen des „Natura-2000-Netzes“ auszubauen und praktisch umzusetzen.
Umweltfreundliche Unterfangen örtlicher Unternehmer haben etlichen verlassenen Dörfern an den westlichen und zentralen Hängen des Balkangebirges wieder neues Leben eingehaucht. An solchen Orten, wo die Zeit stillzustehen scheint und die Natur noch unversehrt ist, liegen die Farmen von Julia Stojanowa (im Dorf Ginzi) und von Dessislawa Warbanowa im (Dorf Blagoewez).
„Die Gegend ist sehr rein, auf den Weiden sprießen die unterschiedlichsten Kräuter, alles ist von bester Qualität. Wir züchten Kühe und Schafe. Im Dorf Ginzi habe ich unweit unserer Farm einen Laden geöffnet, wo ich Joghurt, Weißkäse, Hart- und Hüttenkäse zum Verkauf anbiete. Es braucht, ehrlich gesagt, viel Mut, um ein solches Business zu starten, weil es an Arbeitskräften mangelt“, sagt Julia Stojanowa.
„Das ist das größte Problem – der Mangel an Arbeitskräften“, bekräftigt Dessislawa Warbanowa. „Wir haben die ganze Verantwortung zu tragen – sowohl auf dem Markt als auch in der Farm. Wir verlassen uns einzig und allein auf uns selbst.“
Genau wie auch Teodor Puschkarow aus dem Dorf Melene. Er hat 150 Bienenkörbe in der Natura-2000-Zone „Westlicher Balkan“. Imkerei ist sein ganzes Leben:
„Ich habe mich mein ganzes bewusstes Leben lang mit Bienenzucht befasst. Ich freue mich in dieser Natura-2000-Zone zu sein, weil die Gegend hier ökologisch rein ist. Andererseits ist dieser Teil Bulgariens entvölkert und es ist niemand da, wenn man Hilfe braucht. Trotzdem mag ich es hier zu sein“, sagt Teodor Puschkarow.
Damit es in dieser Region zu wirtschaftlichem Aufschwung kommt, sollte es keine Hindernisse für den Bioanbau geben.
„Die Idee des Natura-2000-Netzes und des Programms zur Entwicklung der ländlichen Regionen fußt darauf, die Menschen, die an diesen Orten Hilfe, Finanzierung und Entwicklung brauchen, auch wirklich zu unterstützen“, betont Rossen Wassilew von der bulgarischen Stiftung „Artenvielfalt“, die Partner des bulgarisch-schweizerischen Programms ist. „Die Produktionen in Natura-2000-Gebieten tragen zum Erhalt und zur Pflege der biologischen Vielfalt bei. Und Bio-Produktion bietet zusätzliche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten sowohl in als auch außerhalb von Natura-2000-Arealen.“
Farmer, deren landwirtschaftliche Nutzflächen sich im Rahmen von Natura-2000 befinden, erhalten vom Netzwerk Subventionen in Höhe von je 120 Euro pro Hektar, ohne dass der Staat etwas dazuzahlt. Zu diesen Biolandwirten zählt auch Petar Georgiew vom Dorf Isperichowo.
„Die Region ist extrem sauber. Hinzu kommt, dass der Boden sehr fruchtbar ist. Es gibt auch Grundwasser und somit beste Voraussetzungen für Landwirtschaft. Der Ort liegt in einem von Hügeln umkreisten Talkessel (bei Pasardschik). Der kalksteinreiche Boden und die obere Humusschicht sind ideal für die alte bulgarische Rebsorte Mawrud, die bereits die alten Thraker in unseren Landen gezüchtet haben und die all die Jahrtausende überdauert hat. Mit der Unterstützung des Bulgarischen Vogelschutzverbands haben wir ein Pilotprojekt ausgearbeitet und einen Garten angelegt. Wir bearbeiten ihn auf eine spezielle Weise, um auch die Population der Ziesel in Stand zu halten. Sie sind wichtiger Bestandteil der Nahrungskette von Greifvögeln, beispielsweise Mäusebussarden und Falken.“
Die Menschen, die sich mit Biolandwirtschaft befassen, empfinden jedoch die administrativen Hürden und Änderungen in der Gesetzgebung als Bedrohung.
In den letzten Monaten wurden renommierten zertifizierten Firmen die Lizenzen entzogen, was nicht zu einer besseren Qualität ihrer Produktion führt. Hunderte Biofarmer stehen wegen verzögerter Zahlungen vor dem Bankrott. Vor dem Hintergrund all dieser Probleme besteht Umweltminister Neno Dimow auf Novellen im Gesetz über die Biovielfalt, die eine Reduzierung der Natura-2000-Zonen zur Folge haben könnten. Und all das wird sicherlich zu Protesten der Besitzer kleiner und mittelgroßer Biowirtschaftsunternehmen führen.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: bioferma.org und Darina Grigorowa
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