Schwer treten die Füße auf den Boden; stampfend folgen sie dem sich aufdrängenden Rhythmus. Die ernsten Gestalten bewegen sich rings um ein großes Feuer – Hand in Hand tanzen Frauen und Männer einen Reigen in Angedenken ihrer Toten, deren Seelen in den tänzelnden Schatten des flackernden Lichts ihres gleichen zu tun scheinen. Man schreibt den zweiten Osterfeiertrag.
Seit uralten Zeiten versammeln sich die Bewohner der Dörfer Bojnitza, Gamsovo, Gradetz und Rabrowo, die sich in der Nähe der nordwertbulgarischen Stadt Widin befindet, zum sogenannten Toten-Reigen, um ihrer Verwandten zu gedenken, die im letzten Jahr verstorben sind. Dieser rituelle Tanz wird am Fuße des Felsenklosters in der Gegend „Albotin“ vollführt. Die Menschen dieser Region sind davon überzeugt, dass für jeden neuen Toten getanzt werden muss.
„Das ist ein Ritual, das in den Donau-Dörfern vollführt wird, die man als sogenanntes „Goldenes Horn“ um die Stadt Widin bezeichnet. Die Bewohner, die im letzten Jahr einen nahen Verwandten verloren haben, führen stets ein Bild von ihnen mit sich“, erzählte uns der Journalist und Regisseur Stefan Dschambasow, der zusammen mit seinem Sohn David einen Dokumentarfilm über diesen Brauch – „Totenreigen“ gedreht hat. „Es werden langsame Reigen getanzt und die Verwandten der Verstorbenen schenken ihren Mitbewohnern im Dorf Ostereier, Bekleidung, verschiedene Speisen und Wein. Es wird aber nicht geweint, denn man ist der Ansicht, dass die Seelen der Verstorbenen ebenfalls zum Fest gekommen sind und an diesem Tag Diesseits und Jenseits verschmelzen. Es werden sogar Fotos mit den Verstorbenen an die Fenster geheftet, damit sie nach draußen schauen können.“
Diese Gedenk-Reigen erinnern an uralte Bräuche und werden mit langsamen Schritten stets entgegen des Urzeigersinns getanzt. Legenden über die alten Thraker werden wach, die sich laut antiken Geschichtsschreibern mit Liedern und Frohsinn von ihren Toten verabschiedet haben. Sie waren anscheinend die ersten, die solche Totenreigen getanzt haben. Früher stellten sich die Menschen das Leben im Jenseits, ähnlich dem auf der Erde vor.
„Die Tradition ist vor allem in den walachischen Dörfern wach – die Walachen sind ja bekannt für ihre Jenseits-Verehrung. Für sie besteht keine klare Grenze zwischen beiden Welten“, erzählt in dem Dokumentarfilm die Ethnographin Dessislawa Boschidarowa.
Nicht zufällig bezeichnen sich die Walachen als „romanisierte Thraker“. Sie glauben fest an ein Leben im Jenseits und geben ihren Verstorbenen dessen wertvollsten Dinge mit ins Grab, zuweilen sogar einen Fernseher. Manche vollführen die Totenrituale noch zu Lebzeiten: die Familie versammelt sich zu einem Totenmahl, der Priester spricht ein Totengebet und alle, mit Ausnahme der Person, die im Sterben liegt, essen und trinken zusammen an einer Tafel. Verbreitet ist auch, dass man sich selbst einen Grabstein setzt, auf dem eines Tages nur noch das Sterbejahr eingemeißelt werden muss.
„Leider stirbt dieser Brauch langsam aus, weil er nicht von den örtlichen Verwaltungen unterstützt wird, die Menschen aus der Region Widin weiterhin auswandern und sich die Einwohner selbst nicht mehr so sehr dafür interessieren“, sagt Stefan Dschambasow. „Früher war die Tradition weit verbreitet und am Albotin-Felsenkloster an der sogenannten Haiducken-Quelle versammelten sich viele Familien. Am ersten Osterfeiertag vollführten sie das Ritual in ihren Dörfern und am zweiten Osterfeiertag kamen sie zusammen, um den Totenreigen zu tanzen. Seit einigen Jahren werden diese Gedenk-Reigen durch Auftritte von Laientanzgruppen ersetzt, was nichts mit der Tradition zu tun hat. Und so verlieren wir diese in all den Jahren erhalten gebliebene Verbindung zwischen Leben und Tod, zwischen der heutigen und der Welt von Gestern, zwischen Himmel und Erde. Es ist eine alte Tradition, eine Philosophie, die heidnisch, zugleich aber auch christlich ist, laut der sich zur Auferstehung Christi, die Toten und Lebenden versammeln und zusammen feiern.“
Obwohl wir drauf und dran sind, einen der letzten uralten Bräuche zu verlieren, halten noch viele Bewohner der Region Widin an ihren Vorstellungen fest, was auch eine der Frauen in dem Dokumentarfilm deutlich zum Ausdruck bringt: „In unserer Region leben wir mehr für die Toten; jedes Fest, das wir begehen, ist für sie bestimmt. Anstatt, dass wir uns zu Ostern freuen, weil Christus auferstanden ist, tanzen wir einen Reigen für die Toten. Wir sehen halt die andere Seite, gehen zum Reigen und weinen...“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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