Ca. 160 lebensrettende Medikamente sind im Rahmen eines einzigen Jahres vom bulgarischen Markt verschwunden, behaupten Patienten. Nicht nur sie, sondern auch die Ärzte beklagen sich, dass gewisse Medikamente Mangelware sind.
Auf einer Onlineplattform, wo man Arzneimittelmangel melden kann, werden über 450 Medikamente gesucht. Das erklärte für den BNR der Vorsitzende der Nationalen Apothekenkammer Anton Walew. Als Grund für diesen Missstand nannte er das veraltete System der Preisbildung, was dazu führt, dass Pharmaunternehmen kein finanzielles Interesse haben, diese Medikamente zu liefern. Hinzu kommt der Reexport, der ein Defizit an teuren überlebenswichtigen Medikamenten für Patienten mit spezifischen schweren Erkrankungen und mit Transplantationen nach sich zieht.
„Es handelt sich dabei um ein systematisches und tiefreichendes Problem“, betonte Anton Walew und weiter: „Der Staat muss dringend umfassende Maßnahmen treffen. Wir verfügen weder über eine Arzneimittelpolitik noch über ein System, das besagt, was in Krisenmomenten wie diesen zu erfolgen hat. Es sind keine Maßnahmen geplant, wie ein Patient, der aus unterschiedlichen Gründen keine spezifische Behandlung in Bulgarien erfahren kann, diese anderweitig bekommen kann.“
Laut den derzeitigen Vorschriften kann ein Krankenhaus ein Medikament über das Gesundheitsministerium beantragen, falls es für einen Patienten wichtig ist. Der Staat sorgt dann dafür, dass es importiert wird. Das ist aber eine administrativ extrem schwerfällige Prozedur, die die meisten Patienten nicht überleben. „Wir müssen umdenken. Der Versorgung mit Medikamenten sollte eine zentrale Bedeutung eingeräumt werden, da sie keine Handelszwecke, sondern staatliche Funktionen erfüllt. Jegliche Vorgehensweisen, die dazu führen, dass Medikamente vom Markt verschwinden, sollten unterbunden werden“, betont Anton Walew. Das größte Paradoxon ist seinen Worten zufolge, dass alle Beschäftigten in Bulgarien laut Gesetz zum einen Steuern auf ihr Einkommen entrichten und zum anderem auch Krankenversicherungen zahlen müssen. „Das ist der Fonds, der in der Krankenkasse zusammenkommt; für 2019 ist das sogar das größte Budget, das wir formiert haben – im Wert von über 4 Milliarden Lewa.“
„Arzneimittelmangel ist kein Problem von heute“, sagte die Vize-Vorsitzende der Nationalen Patientenorganisation Natalija Maewa. „Wenn wir einen Blick zurückwerfen, werden wir sehen, dass derartige Probleme im Laufe der Jahre eskalieren. In diesem konkreten Fall haben wir es mit einer schlechten Planung im Gesundheitswesen zu tun“, meint sie und weiter:
„Ich weiß, dass es Versteigerungen für teure Medikamente gibt. Allerdings ist es meiner Meinung nach höchste Zeit, dass die medizinische Verwaltung in Bulgarien sich Gedanken macht. Denn wir reden von fehlender Therapie, die für krebskranke Patienten überlebenswichtig ist. In der Onkologie darf es keine Begrenzungen geben. Niemand hat das Recht zu entscheiden, ob ein Patient zu leben hat oder nicht. Ärzte und Patienten kämpfen gemeinsam gegen die schlimme Erkrankung an und müssen über die nötigen Bedingungen und Mittel dafür verfügen. Falls der Staat nicht in der Lage ist, das zu tun, sollte man sich fragen, woran das liegt. Vielleicht sollte das Krankenversicherungsmodell endlich verändert oder das System zum Kauf solcher teurer Therapien reformiert werden? Die Krankenkasse ist eigentlich ein Instrument, das die Finanzierung sichert, aber ich denke, das Gesundheitsministerium sollte ein E-Register schaffen, inklusive für seltene Erkrankungen. So wird man einen Überblick darüber haben, wie hoch die Kosten für die Therapien in jedem kommenden Jahr ausfallen“, unterstreicht Manewa.
Ihren Worten zufolge erschwert der Mangel an elektronischen Gesundheitsdossiers zusätzlich das System. Wenn diese vorliegen würden, könnte man sich leicht über die Geschichte der Erkrankung informieren und sehen, was der Patient braucht, so dass die Zustellung des Medikaments geplant und im Rahmen von Monaten oder eines Jahres organisiert werden kann. „Momentan wird aber auf Stück gearbeitet – hier wird etwas gestopft, dort etwas ergänzt, um einer Krise vorzubeugen. So darf es aber nicht weiter gehen“, sagte Natalija Maewa abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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