Am 22. September des Jahres 1908 erklärte der damalige Landesfürst Ferdinand I. die Unabhängigkeit Bulgariens vom Osmanischen Reich. Das geschah 30 Jahre nach der Neugründung des bulgarischen Staates, die eine Folge des Russisch-türkischen Krieges von 1877/78 war. Mit der Unabhängigkeitserklärung schloss sich Bulgarien in seiner neueren Geschichte endgültig der europäischen Familie der zivilisierten und modernen Länder an. Auch die Einschränkungen in den Beziehungen zu den anderen Staaten in aller Welt entfielen. Das bulgarische Parlament bekam das Recht, eigenständig sein Staatsoberhaupt zu bestimmen, das von da an den alten bulgarischen Herrschertitel „Zar“ annahm. Die weiteren Geschicke unseres Landes hingen zum größten Teil wieder von den Bulgaren selbst ab.
Unlängst schuf der Universitätslehrer und Gründer des Projekts „Unvergessenes Bulgarien“, der Regisseur Dr. Iskren Krassimirow, ein Film-Theaterschauspiel, das von den bedeutendsten Persönlichkeiten der bulgarischen Wiedergeburtszeit erzählt. Darunter sind der Athos-Mönch Paisij von Hilendar, Bischof Sophronius von Wratza, der Nationalheld Wassil Lewski, Rajna Knjaginja, Georgi Benkowski, Sachrij Stojanow, der Nationalschriftsteller Iwan Wasow, der Dichter und Revolutionär Christo Botew u.a.
„Mein neuestes Projekt ist ein einzigartiges Schauspiel, an erster Stelle, weil es ein Monodrama ist. Es ist jedoch kein echtes Einmannstück, weil darin Ausschnitte von Filmen gezeigt werden. Die Premiere fand in Düsseldorf statt und zwar am 6. September, dem Tag der Vereinigung Bulgariens. Es war sehr aufregend, auch am nächsten Tag, als das Stück in Köln gegeben wurde – der zweiten Station der Deutschlandtournee. 150 Menschen hatten sich in einem recht engen Raum eingefunden. Unter ihnen waren einige Dutzend Kinder. Meine Filme, Lesungen und Vorstellungen, all meine Bemühungen sind speziell auf die Jüngsten ausgerichtet.“
Am heutigen Festtag wird die Vorstellung für die in Bremen lebenden Bulgaren gegeben. Nach dieser Art „Bildungs-Show“ wird sie auch in Bulgarien selbst vorgestellt werden – an Schulen, Kulturhäusern und Kindergärten, versicherte uns Dr. Iskren Krassimirow.
„Wir sollten nicht einzig an solchen Feiertagen stolz sein, dass wir Bulgaren sind. Ich bin auf diese Tatsache jeden Tag stolz. Ich bemühe mich, das auch den Kindern zu sagen, denn Patriotismus und Heimatliebe sind nicht einzig an Feiertagen angebracht, sondern an jedem Tag. Sich das Vermächtnis der Helden Lewski und Botew zu vergegenwärtigen – das ist mein Hauptziel und das meines Teams von „Unvergessenes Bulgarien“. In Bremen wird das Stück zum dritten Mal vor den Kindern der dortigen bulgarischen Schule, ihren Eltern und der gesamten bulgarischen Gemeinschaft in dieser Stadt gezeigt. Es folgen die für mich zur Tradition gewordenen Tourneen durch die Schulen in Bulgarien, woraufhin das Stück erneut im Ausland gegeben werden soll.“
Dr. Krassimirow hält bereits seit Jahren Geschichtsvorträge an den bulgarischen Schulen. Dabei ist ihm folgendes aufgefallen:
„Ich stelle eine positive Veränderung bei den jüngsten Zuschauern – den Kindern der 1. bis 4. Klasse fest. Bei ihnen bin ich übrigens am häufigsten zu Gast“, erzählt der Universitätslehrer und Regisseur. „Die Kinder sind ganz aufgeregt und freuen sich, wissen gleichzeitig aber auch viel über die Geschichte ihres Landes. Ferner kennen sie Lieder und Gedichte. Mit zunehmendem Alter nimmt das Interesse ab, was aber ganz natürlich ist. Es hat eine Neuorientierung in den Werten stattgefunden; andere Dinge sind modern geworden. Ich bemühe mich darum, das Interesse an den alten bulgarischen Werten wiederzubeleben, wie Liebe zur Familie, gegenüber dem Nächsten, der Heimat, der Geschichte und den Helden. Das sind heutzutage schwierige Dinge. Das Leben ist hektisch, ich denke aber, dass es klappt. Es ist sehr erfreulich, dass auf der Internetseite „Unvergessenes Bulgarien“ 80 Prozent von den rund 40.000 Besuchern, Kinder bis 18 Jahre sind. Das ist vielleicht die beste Einschätzung meiner unermüdlichen Arbeit.“
Was beflügelt Dr. Krassimirow und veranlasst ihn, weiterzumachen?
„Das sind vor allem die Kinder – in den bulgarischen Schulen im In- und Ausland, wie auch meine Landsleute jenseits der bulgarischen Landesgrenzen – Schuldirektoren, Lehrer und Eltern. Diese Menschen opfern ihre Freizeit den bulgarischen Schulen. In Köln beispielsweise waren die Eltern die ganze Zeit mit dabei und halfen jeder wie er konnte. Das sind die Apostel und Aufklärer von heute. Ich meine nicht nur die bulgarischen Lehrer im Ausland, sondern auch die in Bulgarien, die eine große Anerkennung verdienen; besonders jene auf den Dörfern, die ich häufig besuche. Die Bevölkerung dort besteht manchmal zu über 80 Prozent aus Roma. In solch einem Umfeld ist die Arbeit schwer und man muss sich doppelt so sehr bemühen. Das war übrigens der Traum des Freiheitskämpfers Wassil Lewski – alle Rassen und Ethnien in Bulgarien leben gemeinsam in Frieden und Verständigung.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: azbukivedi.de
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