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Zeitreise auf der kleinen Sofioter Straße Malko Tarnowo

Im Zentrum von Sofia verstecken sich viele kleine Straßen, deren Geschichte zu erzählen sich lohnt. Eine dieser interessanten Geschichten handelt von der kürzesten Straße in Sofia. Die Malko-Tarnowo-Straße ist nur 60 m lang, verbindet aber zwei quirlige Arterien der Stadt, den Alexander I. Platz und den Boulevard Dondukow und trägt die Atmosphäre der romantischen aber auch dramatischen Vergangenheit der Stadt von der Antike bis heute.

Wenn wir diese kleine Straße überqueren, begeben wir uns unweigerlich auf eine Zeitreise. Begleiten wird uns Filip Bojadschiew, Autor des Projekts für das neue Antlitz dieser Straße.

Wenn wir einen Blick zurück in die Vergangenheit werfen, sehen wir, dass es hier in der Nähe um 4500 v.u. Z. eine Siedlung aus der Kupfersteinzeit gegeben hat. Im 2. Jh. während der Ulpia Serdica hat hier ein Gebäude gestanden. Was für eins können wir nicht sagen, doch es hat existiert und das belegen die alten Karten“, erzählt Filip Bojadschiew und fügt hinzu, dass vor der Befreiung Bulgariens von der türkischen Fremdherrschaft 1878 in der Malko-Tarnowo-Straße der Uhrturm von Sofia  gestanden hat, dargestellt im Aquarell des österreich-bulgarischen Malers Josef Oberbauer, der zu dieser Zeit in Sofia tätig war. Heute wird dieses wertvolle Gemälde in der Sofioter Stadtgalerie aufbewahrt.

„Nach der Befreiung Bulgariens begann in der Nähe der Straße ein reges Treiben. Bankfilialen und Niederlassungen von Versicherungsgesellschaften wurden eröffnet. In der Malko-Tarnowo-Straße befand sich auch die damals sehr beliebte Bar „Luna“. Es wird gemunkelt, dass König Boris III. nach einem anstrengenden Arbeitstag oft inkognito Gast dieser Bar war. Nach dem Ende der Monarchie wurde in einem der Gebäude auf dieser Straße die Staatssicherheit untergebracht. Heute gehört es dem Staatsarchiv“, weiß Filip Bojadschiew zu berichten.

Bevor das 1937 gebaute Gebäude von der Staatssicherheit und dem Innenministerium genutzt wurde, war darin die Vertretung eines deutschen Unternehmens für die Produktion von Arzneimitteln untergebracht. Nach 1947 wurde über dieses Gebäude nur hinter vorgehaltener Hand und voller Angst gesprochen, denn dort wurden Andersdenkende und Unbequeme festgehalten, die gefährlich für die neue Macht waren. Die Arreste dauerten bis in die 60iger Jahre. In all dieser Zeit ist es nur einer einzigen Person gelungen von dort zu entkommen. Das ist Stefan Tabakow, der ehemalige Führer der Sozial-demokratischen Partei, der 1948 als Aktivist der Opposition verhaftet wurde. Seine Flucht mutet wie ein Filmsujet an. Tabakow konnte aus der Direktion der Staatssicherheit entkommen als der Untersuchungsrichter, der ihn gerade verhörte, zum Chef bestellt wurde und ihn allein ließ. Stefan Tabakow verließ Bulgarien und kam in Österreich unter, wo er seit Brot anfänglich als Gärtner verdiente. Später war er 16 Jahre beim Rundfunk und bis zu seiner Pensionierung im österreichischen Innenministerium tätig.

In unserer Zeit hat es viele Versuche gegeben, die Malko-Tarnowo-Straße zu restaurieren, doch diese Aufgabe wurde erst Anfang des Jahres in Angriff genommen. Die Firma, die damit beauftragt wurde, hat viele Informationen gesammelt, Bürgerdiskussionen und eine spezielle Ausstellung  vom 20. Mai bis 5. Juni organisiert, die der historischen Erzählung über die Straße gewidmet war.


Für all die gesammelten Geschichten fehlte jedoch das verbindende Element. Obwohl es simpel klingt, wurde in der Zeit das Bindeglied gefunden. So entstand auch der Name des Projekts „Malko Tarnowo – Straße der Zeit“. 

Die Idee ist, dass die Straße mit Hilfe von interaktiven Elementen wie Videos und Bildern, die in bestimmten Mauern von Gebäuden aufgestellt werden, die Passanten auf eine Reise in die Vergangenheit führt. „Das Ziel ist, während man auf der Straße geht, Basisinformationen zu erhalten, so dass man eine Vorstellung von der Geschichte gewinnt“, erklärt Filip. „Sollte jemand mehr wissen wollen, wird er sein Wissen anhand der interaktiven Hilfsmittel vervollkommnen können.

Übersetzung: Georgetta Janewa

Fotos: stolica.bg, Archiv und BTA


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