Immer weniger Landsleute sind geneigt, ihre eigenen Organe oder die ihrer Angehörigen im Fall eines Hirntodes zu spenden. Aus diesem Grund startet das bulgarische Gesundheitsministerium eine Aufklärungskampagne über den Nutzen und die lebensrettende Rolle von Transplantationen.
Während der einmonatigen Kampagne „Ja! Für Leben“ werden in den 27 Bezirkshauptstädten spezielle Karten ausgeteilt, in denen jeder Bulgare sein Einverständnis zur Organspende geben kann. Diese Karten sind keine offiziellen Dokumente, können aber seiner Familie beim Eintreten des Hirntodes helfen zu entscheiden, ob sie seine Organe spenden. Menschen, die einer Organspende zustimmen, lassen sich von solchen Motiven leiten wie Menschenliebe, moralische Pflicht und dem Wunsch, einem anderen Menschen eine Überlebenschance zu geben.
„Momentan sind 1.151 Patienten in Bulgarien auf eine Transplantation angewiesen, 1.000 von ihnen warten auf eine Spenderniere“, teilte Gesundheitsminister Kiril Ananiew mit. „Seit Jahresanfang wurden 44 Nierentransplantationen vorgenommen: von 32 Spendernieren aus einer postmortalen Organspende und 12 Nieren aus einer Lebendorganspende stammen. Bedauerlicherweise kann unser Land wegen der geringen Zahl an Organspendern kein Vollmitglied von „Eurotransplant“ werden, um in dringenden Fällen Organe erhalten oder bulgarische Bürger zur Transplantation ins Ausland schicken zu können. Aus diesem Grund wollen wir mit dieser Kampagne jeden einzelnen erreichen und die Leute anregen, sich Gedanken über die Rolle und den Nutzen von Organspenden und Transplantationen zu machen.“
Nur 35 Prozent der Bulgaren äußern Bereitschaft, Organspender zu werden, 32 Prozent würden ihre Organe einem verwandten Menschen spenden. Das belegt eine Erhebung der Meinungsforschungsagentur „Alpha Research“. Zugleich würden drei Viertel der Befragten (74 Prozent) von einer Organspende Gebrauch machen. Im Vergleich zu den restlich EU-Bürgern neigen die Bulgaren weniger dazu, ihre Organe zu spenden.
„Die Leute befürchten, dass man nicht alles Nötige tun könnte, um ihr Leben zu retten, falls sie einen Unfall erleiden und den Spenderausweis bei sich tragen“, kommentiert die Soziologin Borjana Dimitrowa. „Diese von 57 Prozent der Befragten geäußerte Befürchtung können nur Medizinexperten und die Einhaltung der medizinischen Standards aus der Welt räumen. Aber das ist eine riesige Barriere, denn es handelt sich hierbei nicht um eine generell negative Haltung den Organspenden gegenüber, sondern vielmehr um die konkrete Angst der Menschen, dass man sich nicht ausreichend um sie kümmern wird. Außerdem zweifeln sie, ob es ausreichend Garantien dafür gibt, dass ihre Organe für transplantationsbedürftige Patienten genutzt werden und nicht für Organschmuggel.“
Aberglauben und irrationale Ängste spielen bei unseren Landsleuten ebenfalls eine Rolle, wenn von Organspenden die Rede ist, weiß die Soziologin zu berichten:
„In der bulgarischen Gesellschaft geht die rationale Auffassung der Medizin Hand in Hand mit irrationalen Auffassungen über den menschlichen Körper und das menschliche Dasein“, erläutert Borjana Dimitrowa. „An zweiter Stelle steht die Furcht, dass man das Schicksal herausfordern könnte – indem man heute in die Organspende einwilligt, könnte einem morgen etwas passieren. Ähnlich fällt auch eine andere Antwort der Befragten aus – sie wollen einfach nicht an fatale Dinge decken.“
Unzureichende Informiertheit und ein mangelnder Wunsch, sich in der Familie und mit Freunden über die Organspende auszutauschen – das ist einer der Hauptgründe dafür, warum die Bulgaren immer reservierter in puncto Organspende werden. So lautet das Fazit von „Alpha Research“. Die europäischen Erfahrungen zeigen aber, dass ein Meinungsaustausch und Gespräche zum diesem Thema die Bereitschaft der Menschen, ihre Organe zu spenden, auf 77 Prozent anheben kann. Das geschehe „über eine bessere Informiertheit, Überwindung der Barrieren und Ängste und Motivation zur Solidarität“, so Borjana Dimitrowa.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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