Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Ukrainischer Bildhauer Mikhaylo Parashchuk und seine Werke in Bulgarien

Bei einem Spaziergang durch Sofia fallen den meisten Besuchern die repräsentativen Gebäude aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts auf. Es sind besonders die Bildhauerarbeiten, die den Bauwerken ein vollendetes Aussehen verleihen. Wessen Werk ist jedoch all der bildhauerische Schmück, den man an den Fassaden von Nationalbibliothek, Sofioter Universität, Nationaltheater, Parlamentsgebäude, Justizpalast und Nationalbank entdecken kann? Die Antwort auf diese Frage wird auf einer Ausstellung gegeben, die mit „Spaziergang durch die Vergangenheit“ betitelt ist.


Die Botschaft der Ukraine und der Bulgarische Architektenverband stellt in einer Exposition die Bilder der ukrainischen Malerin Yulia Krasovska vor, die die Schönheit verschiedener Gebäude in Sofia in Aquarellen festgehalten hat. Ihre Werke sind ihrem namhaften Landsmann Mikhaylo Parashchuk gewidmet, der lange Jahre in Bulgarien als Bildhauer tätig gewesen ist. Neben den Bildern werden Fotografien mit den Skulpturen und Architekturelementen aus der Hand des ukrainischen Künstlers gezeigt.

„Ich bin eine Ukrainerin und lebe seit vier Jahren in Bulgarien. Mikhaylo Parashchuk war für mich jedoch eine Entdeckung“, gesteht die Malerin. „Als ich im vergangenen Jahr eine Ausstellung über diesen Bildhauer in der ukrainischen Botschaft sah, begann ich, mehr Informationen über ihn zu suchen. Da ich auch als Architektin tätig gewesen bin, war es für mich sehr interessant, auch die Geschichte der alten Gebäude und ihre architektonischen Besonderheiten zu ergründen, und danach meine eigene Sicht in Bildern zum Ausdruck zu bringen. Das Erbe von Parashchuk ist beeindruckend, denn er hat an sehr vielen Gebäuden seine Handschrift hinterlassen und sein Gefühl für das Detail zum Ausdruck gebracht. In meinen Augen war er ein einzigartiger Bildhauer, der die bedeutendsten Gebäude Sofias ausgeschmückt hat.“


Mikhaylo Parashchuk wurde 1878 im Dorf Varvaryntsi geboren, das zu jener Zeit zu Österreich-Ungarn gehörte. Mit 13 wurde er in die Kunstschule von Krakau aufgenommen und bereits mit 20 fertigte er eines der schönsten Denkmäler von Adam Mickiewicz in Europa an. Mit Hilfe eines Gönners konnte er seine Ausbildung an der Kunstakademie in Paris fortsetzen, wo er bei Auguste Rodin lernte.  1921 kam Mikhaylo Parashchuk nach Bulgarien – als Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes.


Er war ein vielseitiger Mensch, der sich auch für Politik, Soziales und Wirtschaft interessierte“, erzählt Anna Tertychna, stellvertretende Botschafterin der Ukraine in Bulgarien. „In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte er sich für die Erweiterung der Kontakte zwischen der Ukraine und Bulgarien ein. Mit seiner Arbeit am Roten Kreuz half er nach dem Ersten Weltkrieg vielen Kriegsgefangenen; er setzte sich in Bulgarien und dem benachbarten Serbien ein, dass ihnen bessere Bedingungen geboten werden und sie dann nach Hause zurückkehren können. Auch trat er für die Menschen ein, die nach der bolschewistischen Okkupation nicht in die Ukraine zurückkehren wollten. Als auch die ukrainische Regierung emigrieren musste, schrieb er in sein Tagebuch, dass es auch für ihn kein Zurück mehr gibt. Interessant ist die Tatsache, dass er keine Staatsangehörigkeit besaß – weder eine bulgarische, noch eine sowjetische und das bis zu seinem Lebensende. Bei Machtwechseln gehörte er immer zu den Verfolgten und er musste Repressalien erdulden. Er war überaus begabt und so hatte er nicht nur Freunde um sich, sondern auch nicht wenig Neider. Und so musste ein Mensch, der sich am Anfang seines kreativen Lebens mit eigenen Kräften eine ansehnlich soziale Stellung erkämpft hatte, gegen Ende seins Lebens leider große Entbehrungen hinnehmen.“


In Bulgarien schuf Mikhaylo Parashchuk die Büsten bedeutender Persönlichkeiten, wie Pejo Jaworow, Gotze Deltschew und Stefan Karadscha sowie die Reliefs von Christo Botew und Aleko Konstantinow. Sein Werk sind die dekorativen Elemente mit Löwen, die Sternzeichen-Uhr sowie die Säulen und Kapitelle der Nationalbank, die ornamentierten Fenster- und Türrahmen des Haupteingangs des Justizpalastes, die Kartuschen über dem Eingang der Sofioter Universität, wie auch die bildhauerische Gestaltung etlicher emblematischer Gebäude.


Trotz seines hohen Könnens wurde er nach dem Machtantritt der Kommunisten in Bulgarien 1944 häufig Repressalien ausgesetzt und zwei Mal vom Bulgarischen Verband bildender Künstler ausgeschlossen.
Er starb in völliger Vergessenheit im Jahre 1963 und wurde auf dem Sofioter Zentralfriedhof beigesetzt.


Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: Diana Zankowa



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

Galerie

mehr aus dieser Rubrik…

Spannende Begegnungen mit talentierten Bulgaren erwarten unsere Landsleute in Berlin im Oktober

Die Hauptaufgabe der bulgarischen Kulturinstitute im Ausland ist es, die Errungenschaften der bulgarischen Kultur in ihrer ganzen Vielfalt dem Publikum des Gastlandes zu präsentieren. „Unser Programm soll abwechslungsreich sein und jeder soll..

veröffentlicht am 29.09.24 um 09:40

Das Volkskulturhaus in Raslog begeht sein 115-jähriges Bestehen mit einem „Spaziergang in die Vergangenheit

“ Das bulgarische Volkskulturhaus ist eine einzigartige Institution, die die Spiritualität und die Traditionen unseres Volkes über Jahrhunderte bewahrt hat. Seinen „nur“ 115. Geburtstag feiert das Volkskulturhaus „15. September 1909‘“ in..

veröffentlicht am 29.09.24 um 08:30
Auf dem Foto ist der Direktor der Kunstgalerie in Kasanlak, Dr. Plamen Petrow zu sehen (links)

Kunstgalerie in Kasanlak organisiert zweiten Rundgang zu Ehren von Iwan Milew

Aufgrund des großen Interesses organisiert die Kunstgalerie in Kasanlak einen zweiten Rundgang „Auf den Spuren von Iwan Milew“. Er startet heute Abend um 18.00 Uhr im Innenhof der Kirche „Hl. Johannes der Täufer“ (Georgi-Benkovski-Straße..

veröffentlicht am 28.09.24 um 08:25