Junge, in wunderschönen Trachten aus der Region Gabrowo gekleidete Mädchen, mit Blumenkränzen in den Haaren und Blumenkörben in den Händen werden am heutigen Festtag entlang der Straßen des Ethnografischen Freilichtmuseums Etara defilieren. Diese Mädchen sind die stolzen Teilnehmerinnen der einzigen „Schule für Lazarus-Mädchen“ in Bulgarien.
Die Idee für dieses Ausbildungsprogramm für bulgarische Bräuche entstand 2010 als das Museum Etara beschloss, die Rituale am Lazarus-Tag zu neuem Leben zu erwecken und die Jugendlichen an die Traditionen dieses Feiertags heranzuführen und sie der breiten Öffentlichkeit vorzustellen.
„Am Lazarus-Tag erfolgt die Einweihung der Mädchen in die Geheimnisse des Brauchs Lazaruwane. Danach haben sie das Recht, sich in bestickten Hemden zu kleiden und Schmuck anzulegen, um auf diese Weise ihre Bereitschaft zu demonstrieren, zur Braut zu werden“, erklärt Violeta Yaneva, Koordinatorin im Freilichtmuseum Etara. „Früher wurde geglaubt, dass ein Mädchen, das nicht an diesen Ritualen am Lazarus-Tag teilgenommen hat, nicht berechtigt ist, an den Spinnstubenabenden teilzunehmen und zu heiraten.“
Der Lazarus-Tag, dieses schöne Frühlingsfest, das der Liebe und Fruchtbarkeit gewidmet ist, findet am Samstag, in der Vorosterwoche statt. Die Vorbereitungen für die Vollführung des Rituals beginnen mitten in der Osterfastenzeit. Drei Wochen lang werden die Mädchen in die Symbolik des Brauchs eingeführt, lernen rituelle Lieder und Tänze, fertigen mit ihren eigenen Händen Kränze an, mit denen sie sich am Feiertag schmücken werden.„Wir versuchen, dem, was unsere Vorfahren einst vollführt haben, so nahe wie möglich zu kommen. Die Mädchen sollen den Brauch des Lazarus so authentisch wie möglich erleben“, sagt Violeta Yaneva und erklärt, dass es spezielle Lazarus-Lieder für jedes Familienmitglied gibt – für Mädchen und Jungen, für die Braut und auch solche, die beim Besuch des Hauses des Bürgermeisters oder des Priesters gesungen werden. Da es sehr viele Lieder sind, ist eine lange Vorbereitungszeit für das Einüben nötig.“
Am Lazarus-Tag beteiligen sich die Mädchen an einer Nachstellung des Brauchs, die vor Publikum stattfindet. Die Lazarus-Mädchen gehen durch die Handwerkstätten und entlang der Handelsstraße und segnen durch Gesang und Tanz die Handwerksmeister, die ein untrennbarer Bestandteil des Festes sind.
Das letzte Element des Lazarus-Brauchs, Kumitschene genannt, ist der Höhepunkt des Festes.
„Das so genannte Kumitchene ist ein Ritual, das am Palmsonntag vollführt wird. Es ist die Auswahl der Patin (Kumiza). Am Morgen gehen die Lazarus-Mädchen zu einem nahe gelegenen Fluss und werfen gleichzeitig ihre Kränze ins Wasser. Wessen Kranz der schnellste ist, wird zur Patin gekrönt. Sie wird diejenige sein, die am darauffolgenden Jahr die Rituale der Lazarus-Mädchen leitet. Es wird auch geglaubt, dass sie es sein wird, die sehr bald heiraten wird“, erklärt Violeta Yaneva und fügt hinzu, dass an der ersten Ausgabe der „Schule für Lazarus-Mädchen“ sich 20 Mädchen beteiligt haben. 2019 waren es mehr als 30 und in diesem Jahr haben sich 50 Kandidatinnen gemeldet. Die Organisatoren haben sich deshalb entschlossen, Mädchen nicht nur aus Gabrowo, sondern auch aus den benachbarten Drjanowo und Trjawna zuzulassen.
„In früheren Zeiten wurden Mädchen im Alter ab 12 Jahren zum Lazarus-Ritual zugelassen. Wir haben entschieden, dass unsere Teilnehmerinnen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sein sollen“, sagt Violeta Yaneva. „Schließlich geht es beim Ritual um die Überschreitung der Grenze, die das Mädchen zur Frau werden lässt. Das ist eine symbolische Erklärung, dass sie bereit ist, sich zu verloben und eine Familie zu gründen.“
Die Absolventinnen der Schule für Lazarus-Mädchen bekommen für ihren während der Ausbildung und des Festes bewiesenen Fleiß eine spezielle Urkunde, dass sie nun Jungfrauen sind und heiraten können, was natürlich nur sentimentalen Wert hat.
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: Museum Etar
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