Jener Teil des Sofioter Stadtzentrums, in dem eine orthodoxe Kirche, eine katholische Kathedrale, eine Synagoge und eine Moschee dicht beieinander stehen, ist als „Viereck der Toleranz“ bekannt. Nur wenige Meter von ihnen entfernt öffnet nun auch das Haus des Kinos in der Rolle des „fünften Tempels“ seine Türen für das Sofioter MENAR-Festival. Mit den Mitteln der Filmkunst erzählt es von den Schicksalen verschiedener Nationen und Menschen , so dass die Zuschauer mit fernen Ländern in Berührung kommen und die unterschiedlichsten Geschichten erfahren.
Seit 15 Jahren präsentiert die Vereinigung „Posor“ dem bulgarischen Publikum das Beste an Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus dem Nahen Osten, Zentralasien und Nordafrika. Ihr Projekt erhielt den Namen Sofia MENAR (Middle East & North African Region Film Festival).
Was inspiriert die Organisatoren Angel Hadschijski und Sdrawko Grigorow, den Blick auf genau diesen Teil der Welt zu richten und uns mit der dortigen Kunst bekannt zu machen?
Angel Hadschijski hat einen Abschluss in Turkologie, Arabisch und Farsi und Sdrawko Grigorow hat sich auf Filmstudien spezialisiert. Durch ihre gemeinsamen beruflichen Interessen und ihr Hobby, das Reisen, wurde das Sofia MENAR Festival ins Leben gerufen, um uns auf einekulturelle Reise in ferne Welten, Religionen und Bräuche mitzunehmen, aber nicht nur:
„Zum ersten Mal wurde das Festival mit einem bulgarischen Film eröffnet“, sagte Sdrawko Grigorow. „Wir sind der Regisseurin Katerina Borissowa sehr dankbar, dass sie uns das Vertrauen geschenkt hat, das 15. Sofia MENAR-Festival mit dem Film „Der Geist von Scheherazade“ zu eröffnen. Die größte Freude für uns war, dass die Tickets eine Woche vor Beginn des Festivals ausverkauft waren, was sowohl für das Interesse am Festival als auch für das Interesse am bulgarischen Kino spricht. Einige der Künstler, die in „Der Geist von Scheherazade“ zu sehen sind, waren Gäste des Festivals. Sie haben gespielt und gesungen und es ist eine festliche Atmosphäre entstanden.“
Der Film erzählt die Geschichte von Künstlern aus dem Nahen Osten, die in Bulgarien leben. Anfangs kommen sie in einem fremden Land an, auf der Suche nach Rettung, aber nach und nach finden sie viele Gemeinsamkeiten in der Kultur, den Traditionen, der Küche, der Musik und so wird ihnen das Land immer vertrauter und sie schließen es ins Herz. Heute sind sie mit dem Land und den Menschen hier so verbunden, dass Bulgarien für sie wie eine zweite Heimat ist. Und ihre Geschichten sind wie das Märchen von Scheherazade in den Straßen von Sofia, wo die Hauptfiguren aus dem Orient Reggae-Musik mit arabischen Motiven machen und bulgarische Folklore auf östlichen Instrumenten spielen.
Direkt ins Herz trifft die Darbietung des bulgarischen Volksliedes „Katerino mome“, das Saad Aladdin aus dem Irak und Amcad Cad aus Syrien in Begleitung von Musikinstrumenten aus ihren Ländern singen.
In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt des Festivals auf dem iranischen Kino.
„Der Fokus liegt auf Regisseurinnen aus dem Iran, provoziert durch die Ereignisse der letzten Monate“, erklärt Sdrawko Grigorow. „Wir zeigen vier Filme von iranischen Filmemacherinnen.“
Es ist kein Zufall, dass das Festival mit „Der Geist von Scheherazade“ eingeläutet wurde. Im Mittelpunkt des Films steht die Idee, Stereotype zu brechen, d. h. alle Klischees, die wir im Laufe der Jahre aus historischen, politischen und kulturellen Gründen zugelassen haben. Ist die Kunst die stärkste Brücke zum anderen? Die Antwort kommt vom arabischen Dichter Dr. Aziz Nazmi Shakir, der auch im bulgarischen Film mitspielt:
„Sie kann nicht die beste Brücke sein, weil die Kunst eine Art Filter ist, d.h. nicht jeder kann diese Brücke überqueren, egal wie breit sie ist. Auf der anderen Seite der Brücke gibt es Musik, Literatur, auch Küche. Denken Sie darüber nach: Wenn Sie alle kleinen Lokale, die Falafel und andere arabische Spezialitäten anbieten, aus Sofia beseitigen, wird sich das Bild der Stadt irgendwie verändern. Wir neigen eher dazu, die arabische Kultur mit der arabischen Küche zu assoziieren. Für einen intelligenten Bulgaren wäre es aber viel wichtiger und köstlicher, etwas von einem arabischen Autor zu lesen oder einen Film zu sehen.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: Sofia MENAR-Festival
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