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Loïc Grard: Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung

Sollte Nordmazedonien der EU beitreten, werde das Probleme lösen statt sie zu schaffen, ist der französische Professor überzeugt.

Foto: Französisches Kulturinstitut Sofia

Wir sollten bezüglich der Einheit Europas optimistisch sein, sagte Professor Loïc Grard, Dozent für öffentliches Recht an der Universität Bordeaux, in einem Interview für Radio Bulgarien. Der Anlass ist die Debatte über das den europäischen Aufbau, die Perspektiven und Herausforderungen vor Europa, organisiert vom Französischen Kulturinstitut in Sofia im Monat der Frankophonie.

Seit seinen Anfängen in den 1950er Jahren war das europäische Projekt ein Bestreben, unser gemeinsames Haus Europa zu vereinen. Der Zusammenbruch des Ostblocks in den 1990er Jahren führte genau dazu - keine 15 Jahre später waren die Länder dieses Blocks bereits in der Europäischen Union. „Heute haben wir einen erneuten Bruch, wir sollten jedoch optimistisch sein, dass die Krise in der Ukraine den Beitritt der Balkanländer beschleunigen wird, was wiederum der Mitgliedschaft der Ukraine Auftrieb geben wird“, erklärt Professor Grard. „Ob sich Europa mit der gleichen Geschwindigkeit bewegen wird, ist eine andere Frage. Wir können eine Familie sein, ohne dass wir uns gleich schnell entwickeln.“

Europa habe immer mit Risiken gelebt und es werde auf seinem Weg immer Risiken geben, die mit der Migration, Ökologie und der aktuellen geopolitischen Krise verbunden sind. Der frühere Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, habe sogar von „Polykrisen“ gesprochen, erinnert sich Professor Grard. Wichtig sei, seiner Meinung nach, dass es eine gemeinsame Antwort gibt wie im Fall der griechischen Finanzkrise oder Covid. „Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, schlussfolgert er.

Wie sind die Probleme zwischen Bulgarien und Nordmazedonien in diesem europäischen Kontext zu betrachten? Loïc Grard zieht Parallelen zu den Streitigkeiten in Nordirland, die mit dem Brexit erneut entflammt sind.

„Wir beobachten eine protestantische Minderheit in einem katholischen Land, die sich zu einem protestantischen Nachbarland zugehörig fühlt. Das Problem zwischen Bulgarien und Nordmazedonien ist seinem Wesen nach gleich. Wenn beide Länder einem gemeinsamen Haus ohne wirtschaftliche Grenzen angehören, wenn Nordmazedonien der EU beitritt, wird das ehe die Probleme lösen, anstatt sie zu schaffen."

Was es bedeutet, ein europäischer Bürger zu sein, erklärt eine weitere Teilnehmerin an der Debatte. Dr. Ildiko Otova unterrichtet an der Neuen Bulgarischen Universität in Sofia Politikwissenschaft. Für sie bedeutet europäischer Bürger zu sein, ein Bürger der aktiv ist, sagte sie in einem Interview für Maria Stoewa von der französischen Redaktion von Radio Bulgarien. Die Staatsangehörigkeit habe sich seit Langem vom Nationalstaat gelöst und sei ein rein rechtliches Verhältnis. Sie bedeute Aktivität und Pflicht, bedeutet auch, Position zu beziehen, zu einer Demonstration zu gehen, eine Petition zu unterschreiben oder einfach nur eine Meinung zu äußern. „Das macht einen europäischen Bürger aus. So ist die Europäische Union aufgebaut. Sie wird durch ihre Bürger und über die Institutionen hinaus aufgebaut“, erklärt Ildiko Otova. Ihrer Ansicht nach tötet das politische Gerede die Politik und die Medien spielen in der Durchsetzung von negativen Reden eine nicht gerade geringe Rolle.“

Jean Crombois, Professor für Europäische Studien an der Amerikanischen Universität in Bulgarien zufolge habe die Mitgliedschaft in der Europäischen Union auch eine symbolische Dimension. Die meisten seiner Studenten, die sich für die Europäische Union interessieren, haben keine europäische Staatsbürgerschaft, während sie für die bulgarischen Studenten eine Selbstverständlichkeit ist. "Es gibt viele Studenten aus dem Kosovo, Albanien, Nordmazedonien, Georgien und Moldawien, die nach Europa dürsten, doch wir verweigern ihnen dieses Europa."

Was bedeutet heute Europa?

„Das neue Narrativ ist die neue europäische Erzählung“, erklärt Professor Loïc Grard. „Das alte Narrativ ist über ein Europa, das uns vor der Barbarei des 20. Jahrhunderts schützt, die sich nicht mehr wiederholen wird. So denken alle, aber vielleicht irren sie. Die Idee ist immer noch dieselbe - Europa, das uns schützt. Die heutige Bedrohung, das allgemeine Risiko, ist das Klima. Es scheint, dass dieses Risiko zeitlich weit weg liegt, aber vielleicht ist es nicht so. Effektiv kann nur unsere gemeinsame Antwort darauf sein. Wenn wir als 500 Millionen Menschen reagieren, können wir die ganze Welt beeinflussen. Das bedeutet, dass ein starkes Europa schützt", schlussfolgert Loïc Grard.

Übersetzung: Georgetta Janewa

Fotos: Französisches Kulturinstitut Sofia




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