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Wahlen 2024

Das Dilemma reguläre Regierung oder Neuwahlen im Herbst bleibt auch nach dem 9. Juni bestehen

Bojko Borissow von GERB (l.) und Deljan Peewski (DPS)
Foto: BGNES

Der scheinbar kategorische Sieg von GERB-SDS bei den nationalen Parlamentswahlen bedeutet nicht, dass es der Partei in jedem Fall gelingen wird, eine Regierung in der einzig möglichen Form zu bilden, indem sie eine Koalition mit einer oder mehreren Parteien eingeht. Selbst wenn sich die Führer der ersten politischen Kraft, Bojko Borissow, und der möglicherweise zweitplatzierten DPS, Deljan Peewski, die oft mit einer Stimme sprechen, auf ein gemeinsames Kabinett einigen, werden sie die Unterstützung eines dritten politischen Akteurs benötigen und höchstwahrscheinlich auf die Dienste der kleinen, aber erwiesenermaßen unzuverlässigen Partei „Es gibt ein solches Volk“ zurückgreifen müssen, die die Regierung von Kiril Petkow in einem kritischen Moment zu Fall gebracht hat.
Unabhängig davon haben sich die Beziehungen der ehemaligen Kalitionspartner in der Exekutive, die sich öffentlich nicht so nennen wollen, GERB-SDS und PP-DB, verschärft. Die Ankündigung von Bojko Borissow, den Auftrag zur Bildung eines Kabinetts persönlich anzunehmen, hat die beiden Koalitionen weit auseinandergebracht, so dass eine Aussöhnung und eine erneute Partnerschaft im neuen Parlament kaum möglich erscheinen. Daher bleibt das Dilemma, Regierung oder Neuwahlen, weiter wie ein Damoklesschwert über die neue Zusammensetzung des bulgarischen Parlaments hängen.

Parwan Simeonow
Der Umstand, dass GERB-SDS als Wahlergebnis einen Vorsprung im zweistelligen Bereich haben, bedeutet keinesfalls, dass die Wähler plötzlich die Liebe zu dieser Koalition entdeckt haben. Vielmehr öffnet sich eine Nische für den nächsten größeren Spieler, der eine Veränderung bietet und das könnte der jetzige Präsident Rumen Radew sein, behauptet der Soziologe Parwan Simeonow. Er ist der festen Überzeugung, dass die Partei von Bojko Borissow einen Fehler begehen wird, wenn sie auf eine rein politische Regierung setzt. Logisch wäre seiner Meinung nach eine Koalition zwischen GERB, DPS und ITN.
„Die Regierung darf nicht politisch sein, erklärt Parwan Simeonow. „Sollten GERB und die DPS ein Kabinett bilden, wird die Protestwelle an Kraft gewinnen. Es muss eine Art Expertenregierung mit einem klaren Programm gebildet werden, ohne jegliche Experimente wie Rotation und dergleichen.“

Georgi Kirjakow
Der Politologe Georgi Kirjakow ist ebenfalls der Meinung, dass die Regierungsbildung am wahrscheinlichsten zwischen GERB-SDS, DPS und ITN erfolgen könnte. Allerdings lehnt er die Idee eines Expertenkabinetts ab und empfiehlt „normale Verhandlungen für eine Koalitionsregierung“, um die Verantwortung nicht zu verwischen. 
Das schlechte Abschneiden der PP-DB erklärt er mit der Schmutzkampagne gegen diese politische Kraft mit all den Skandalen und Aufnahmen, die von ihren politischen Gegnern ans Licht gebracht wurden.
„Der zweite Grund ist die nicht gut organisierte Kampagne sowie die ungeschickt konstruierten Botschaften vor allem über die sozialen Medien und die schlechte Kommunikation mit den eigenen Wählern", fügt Georgi Kirjakow hinzu.
„Das war ein weiterer Wahlkampf, bei dem nicht nur die PP-DB, sondern das gesamte Spektrum der ehemaligen authentischen Mitte-Rechts-Parteien darauf gewartet hat, dass die Wähler zu ihnen kommen. Die Logik politischer Kampagnen besteht jedoch darin, dass die Vertreter der Parteien zu den Wählern gehen. Genau das müssen die bulgarischen Politiker lernen. Sie müssen ihre Fußsohlen regelrecht auf Straßen und Plätzen beim Treffen mit den Wählern abnutzen.“

Petar Tscholakow
Der Politologe Petar Tscholakow ist nicht mit der Behauptung einverstanden, dass es keine aktive Wahlkampagne gegeben habe. 
„Es gab eine Kampagne, es gab Schläge unter der Gürtellinie, diverse Unterstellungen. Der Kampf ging bis aufs Messers Schneide und es ging um Alles. Das darf nicht unterschätzt werden. Die Menschen in Bulgarien haben es satt. Sie schenken den Politikern keine Beachtung. Der Bedarf nach neuen Gesichtern und politischen Akteuren ist offensichtlich vorhanden. Das haben die Wahlen sehr deutlich gezeigt“, sagte Petar Tscholakow. 
Die Überraschung dieser Wahlen, die Partei Welitschie, wird aufgrund ihres unklaren Profils sowohl als eine gemäßigtere Alternative zu Wasrazhdane als auch als eine radikalere PP-DB eingeschätzt. Nach Ansicht von Parwan Simeonow sind beide Aussagen zutreffend. 
„Überall wo ich auch hinkam, wurde ich nach Oberst Markow (einer der Gründer der PP Welitschie, Anm. d. Red.) gefragt. Er ist zu einer Art Legende geworden, eine Art Insider-Witz geworden. 
Parwan Simeonow hat keine Antwort auf die Frage, wie weit der neue politische Star gehen und sich der nationalistischen Wasrazhdane in die Quere stellen kann, denn seiner Ansicht nach waren die gestrigen Wahlen abnormal. Simeonow vergleicht sie mit einer Anomalie, bei der alles schiefgelaufen ist, und führt dieses Phänomen auf die Ermüdung durch die mehrfache Abstimmung und den Protest gegen den Mainstream zurück.

Text: Diana Zankowa nach Interviews von Petar Stamatow und Silwia Welikowa, BNR-Horizont
Übersetzung: Georgetta Janewa



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