Mariä Tempelgang ist eines der ältesten und meist verehrten Feste in der orthodoxen Welt. Es wurde um das 8. Jahrhundert in Konstantinopel eingeführt, zur Zeit des Patriarchen Tarasios. Erst sechs Jahrhunderte später, unter Papst Gregor XI., begann man Mariä Tempelgang auch in Westeuropa zu feiern.
In der modernen bulgarischen Kirchengeschichte wurde das Fest 1929 durch einen Beschluss der Heiligen Synode als Tag der christlichen Familie und Jugend eingeführt. Dieser Tag, der als Festtag für alle Schüler galt, war ein schulfreier Tag und begann mit einer Heiligen Messe, bei der Eltern und Kinder gemeinsam zur Kommunion gingen. Während der atheistischen sozialistischen Zeiten geriet diese Familientradition jedoch in Vergessenheit, und heute ist sie oft ihres geistlichen Inhalts beraubt.
Über die Herausforderungen der modernen Welt und den Weg zu einer gedeihlichen christlichen Familie unterhielten wir uns mit Pater Sergij Pawlow, Vorsteher der Kirche „Mariä Himmelfahrt“ im Sofioter Wohnviertel Malaschewzi.
Nach Worten von Pater Sergij ist die Familie heutzutage für einen großen Teil der jungen Menschen, die mehr Rechte und Freiheit als Pflichten und Verantwortung in der Familie suchen, kein besonderer Wert mehr. Deshalb ist es schwierig, eine Familie zu schaffen, die unter solchen Bedingungen fortbestehen kann.
„Viele Menschen stellen sich die Familie so vor, wie wir sie in romantischen Beziehungen in Hollywood-Filmen sehen“, stellte Pater Sergij fest. „Sie sind nicht darauf vorbereitet, was später auf sie zukommen könnte. Niemand hat uns das Zusammenleben in der Familie beigebracht, wir sehen es in unseren eigenen Familien. Deshalb versuchen wir, wenn wir eine Familie gründen und feststellen, dass sie nicht das ist, was wir erwartet haben, den Schwierigkeiten zu entkommen. Die christliche Familie ist etwas anderes und hat andere Werte als die weltliche Familie. Während man in einer weltlichen Gesellschaft danach strebt, das Schmerzhafte und Schwierige zu meiden und den breiten Weg einzuschlagen, so ist das Bestreben im Christentum das Gegenteil - man geht den schmalen Weg“.
In der christlichen Familie sind die Grundtugenden Demut, Geduld und Gehorsam führend. Eine solche Familie ist sehr gesund, unterstrich Pater Sergius und fügte hinzu, dass der Unterschied zwischen der christlichen und der weltlichen Familie auch in den gemeinsamen Zielen liege. In einer weltlichen Familie wird mehr Wert auf finanzielle Stabilität und Unterstützung in schwierigen Lebenslagen und bei Problemen gelegt, Nachkommen werden gezeugt. In der christlichen Familie hingegen sind diese irdischen Prioritäten zweitrangig und das Heil steht im Vordergrund. Daher auch der Vergleich mit der „kleinen Kirche“, den Paulus anstellt. In dieser „kleinen Kirche“ herrschen gegenseitiger Gehorsam, Demut, Sanftmut und Geduld, und die Ehegatten sind vor allem dem Dienst am anderen gewidmet.
„Das ist das Gegenteil von dem, was man in der weltlichen Familie oft erwartet, und der Kampf dreht sich nicht so sehr um Macht, sondern vor allem um das Streben, Gott an erste Stelle zu setzen. Ihm gemeinsam ins Himmelreich zu folgen und sich gegenseitig zu helfen. Auf diese Weise wachsen beide Eheleute als Individuen und nutzen das, was Gott ihnen gegeben hat, um durch ihn anderen zu dienen. Und das ist der Sinn der christlichen Familie - der Stärkere trägt die Schwäche des Schwächeren und hilft ihm, geistig aufzusteigen“, erklärte Pater Sergij.
Wenn einer der Ehegatten oder sogar eines der Kinder seinen Gottesglauben festigt, dann verändern sich alle Familienmitglieder, so der Geistliche abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: vazdvijenie.bg, BGNES
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