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Sanktionen gegen Russland verheißen für Bulgarien 5 Milliarden Euro Handelseinbußen

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Wenn man im Kreml niest, packt uns in Sofia das Fieber. Dieser Tage erinnern wir uns erneut an diesen alten Witz aus der Zeit des Sozialismus. Denn die potentiellen Gefahren aus der Krise in der Ukraine für die bulgarische Wirtschaft gleichen einer Infektion, die zunehmend außer Kontrolle gerät. Den Negativeffekt kann man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer einschätzen. Allein Sanktionen gegen Russland würden unser Handelsvolumen mit fünf Milliarden Euro treffen. Russland und die Ukraine zählen zu den vier Haupthandelspartnern Bulgariens außerhalb der Europäischen Union. Die größte Gefahr ist ein Zusammenbruch des Energiemarktes, da Bulgarien fast vollständig am russischen Erdgastropf hängt. Ebenfalls darunter leiden würden der Investitionsfluss, der Tourismus, der Immobilienmarkt als auch die Ausfuhr von Wein, Medikamenten und anderen Waren und zwar infolge des Werteverfalls des Rubels.

Bulgarische Russland-Exporte gehen über die Ukraine
"Sanktionen gegen Russland sind für niemanden in der Gemeinschaft eine gute Lösung", kommentiert der bulgarische Ministerpräsident Plamen Orescharski die Spannungen zwischen Brüssel und Moskau. Nach der Türkei ist Russland unser zweitgrößter Handelspartner unter den Drittstaaten. 2013 belief sich der Warenaustausch zwischen Sofia und Moskau auf über 5 Milliarden Euro. Aus Russland bezieht unser Land vor allem Erdöl und Erdgas. Die bulgarischen Exporte nach Russland sind überwiegend in den Sparten Maschinenbau und Pharmazie angesiedelt. Der Warenaustausch zwischen Bulgarien und der Ukraine fällt mit knapp einer Milliarde Euro deutlich bescheidener aus. Dabei exportiert Bulgarien vor allem Erdölprodukte und Medikamente in das Land. Bulgarische Firmen verbuchen infolge ausbleibender Vertragsleistungen bereits die ersten krisenbedingten Verluste, alarmiert die Bulgarische Industrie- und Handelskammer. Selbst ohne Wirtschaftssanktionen gegen Russland hätte Bulgarien ein großes Problem, da fast alle Russland-Exporte über die Ukraine gehen. Der Abzug von Kapital und der Werteverfall des Rubels werden vor allem bulgarische Unternehmen treffen, die am russischen Markt agieren. Einige Handelsunternehmen sind bereits auf andere Routen ausgewichen, andere hoffen, dass die Transitroute durch die Ukraine auch weiterhin problemlos passierbar bleibt. Immerhin lässt sich der größte bulgarische Investor in der Ukraine - ein Industrieöl-Unternehmen - nicht vom Bau einer neuen Raffinerie bei Kiew abbringen.

Erdgas, Erdöl, Kernbrennstoff
Bulgarien bezieht alle seine Energieträger aus Russland. Über 80% unserer Energieressourcen sind von Moskau abhängig. Ganz besonders betroffen ist die Erdgassparte. Allerdings gibt es gegenwärtig keine Lieferprobleme. Auch der Kernbrennstoff für das Atomkraftwerk Koslodui kommt aus Russland. Jedoch habe man für den Meiler für zwei Jahre vorgesorgt, so die Experten. Das Uran wird über die Ukraine transportiert. Bei Problemen könnte man allerdings auch auf andere Routen oder den Luftweg ausweichen. Trotz risikobehafteter Erdöl-Lieferungen für die Raffinerie Lukoil Neftochemik, die in einem Ukrainer Hafen verladen werden, zeichnen sich bisher keine Probleme ab.

Russische und ukrainische Investitionen - in Immobilien und Tourismus
Immobilien und Tourismus sind die beiden Sparten, die Unternehmen beiderseits des Schwarzen Meeres Kopfzerbrechen bereiten. Denn die Russen sind seit Jahren die Top-Investoren in Immobilien. Was den Tourismus betrifft, liegen beide Staaten in den Top5 Bulgariens. Die Krise, so die Experten, könnte uns aber auch einen Vorteil verschaffen, da sich Touristen, die bisher auf der Krim Urlaub gemacht haben, nun nach Bulgarien umorientieren könnten. Nicht nur aus Geldgründen sondern auch aufgrund der ähnlichen Sprache und Kultur. 2013 haben 700.000 russische Touristen in Bulgarien Urlaub gemacht, d.h. 14% mehr als im Jahr davor. Die Zahl der ukrainischen Bulgarien-Urlauber belief sich auf 200.000, womit ebenfalls ein Anstieg von 13% verzeichnet wurde. Die Branche ist der Ansicht, dass von der Aufhebung der Visumpflicht für Ukrainer im Falle einer europäischen Perspektive für das Land auch die bulgarische Tourismusbranche profitieren würde.

Die bulgarische Ausfuhr und der Werteverfall des Rubels
Die bulgarischen Waren für den russischen Markt sind vom Werteverfall des russischen Rubels bedroht. Unsere Weine, die 2,5% des bulgarischen Exports ausmachen, werden sich aufgrund steigender Kosten der Importeure verteuern. Und der Wettbewerb am russischen Markt ist brutal. Sanktionen gegen Russland würden für die Branchenunternehmen enorme Einbußen bedeuten. Das Gleiche gilt für die Pharmazie-Branche, deren Handelsvolumen mit Moskau sich alljährlich auf Hunderte Millionen Euro beläuft.
Auch würden mögliche Schwankungen der Weizen- und Mineralölpreise an den internationalen Märkten infolge der Krim-Krise die bulgarische Volkswirtschaft indirekt treffen, kommentiert man vom Institut für Marktwirtschaft. Das wiederum seien die beiden Hauptquellen für eine Außeninflation in Bulgarien.

Übersetzung: Christine Christov



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