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Das heikle Projekt "South Stream"

Foto: Archiv

An der Westfront... etwas Neues. Kommissionspräsident Jose Barroso hat Bulgarien wegen der Verletzung der europäischen Energieregeln angemahnt. Und während Ministerpräsident Orescharski in Brüssel versicherte, dass Bulgarien sich die Empfehlungen zu Herzen nehmen werde, wurde bei uns bekannt gegeben, dass der Bau der Gaspipeline nun beginnen könne. Gleichzeitig erklärte Energieminister Dragomir Stojnew vor dem Parlament, die Verhandlungen würden trotz der angespannten Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau weitergeführt. Selbst die NATO bezog zu diesem heiklen Thema Stellung, indem Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf die Reduzierung der Energieabhängigkeit von Russland als Priorität verwies und im gleichen Atemzug das South-Stream-Projekt als eine Vertiefung dieser Abhängigkeit bezeichnete.

Wer und warum sorgte in den letzten Tagen in Europa für gereizte Stimmung und hat den Bienenschwarm "South Stream" aufgebracht? Wahr ist, dass die Kommission, was das Pipelineprojekt South Stream betrifft, Bulgarien mehrfach wegen Verletzungen der europäischen Gesetzgebung angemahnt hat. Eine weitere Tatsache ist, dass die bulgarische Regierung ungeachtet dessen an ihrem Standpunkt festhält und die Pipeline bauen will. Die Frage ist, ob Bulgarien damit nicht zum Opferlamm der geopolitischen Spielchen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten wird? Und des neuen kalten Gaskriegs? Die bisher hinter den Kulissen heimlich still und leise geführte Gasschlachten haben längst die Kategorie "Schläge unter die Gürtellinie"  hinter sich gelassen und sich zu einem direkten Schlagabtausch gemausert. Die Isolation und den sinkenden Einfluss auf dem europäischen Energiemarkt als Beleidigung auffassend, schloss Russland am Tag darauf, und zwar um 4 Uhr in der Früh den seit zehn Jahren mit China verhandelten Liefervertrag ab und erhöhte damit seinen Einfluss im asiatischen Raum. Das wiederum verärgerte Brüssel und Washington, die versuchen, Moskau in die Enge zu drängen. Auch sei in der gemeinschaftlichen Energiepolitik "ein Feind mit grünem Licht auf Parteiebene" aufgetaucht, wie sich NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ausdrückte. "Die Befürwortung des South-Stream-Projekts durch Bulgarien, Österreich, Italien u.a. zeigt die Kluft zwischen den Anforderungen der Gemeinschaft und den konkreten Ergebnissen aus der gemeinschaftlichen Energiepolitik auf." In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum Brüssel vor allem gegen Bulgarien vorgeht, nachdem auch andere Länder in den South-Stream-Kasus involviert sind. Es stimmt schon, dass unser Land die Trumpfkarte des Projekts in der Hand hält - und zwar als Eingangstor für die Gaslieferungen - und versucht, seine nationale Gesetzgebung im Interesse der Gaspipeline zu novellieren. Während es für Bulgarien Kritik aus Brüssel hagelte, schloss sich auch Österreich heimlich still und leise dem Vorhaben an. Sollte Österreich der Standpunkt der Europäischen Union verborgen geblieben sein? Und Italien? Andererseits haben die europäischen Energieakteure trotz der Sanktionen gegen Russland vor einigen Tagen auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg, dem russischen Davos, mit russischen Gas- und Ölkonzernen ein Riesengeschäft abgeschlossen. Und damit erneut gezeigt, dass die Wirtschaftsinteressen nichts mit den politischen Richtlinien gemein haben.

Warum verbrennt sich nunmehr auch die Allianz am heißen Brei? Eigene Projekte von Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Zypern und Kroatien würde die Gasförderung und die Exportmöglichkeiten in andere europäische Länder erhöhen, erklärte Rasmussen. Offensichtlich hat der NATO-Chef von der CIA die Information erhalten, dass Bulgarien bei der Gaserschließung weltweit auf Platz 73 einkommt. Obwohl die eigene Gasförderung gerade einmal zehn Prozent des Binnenbedarfs deckt, ist das Potential enorm. Auch stellt sich uns die Frage, womit wir diese besondere Besorgnis um unsere Region verdient haben? Ganz einfach - hier liegt der Schlüssel für amerikanische Flüssiggasexporte nach Europa verborgen. In der EU werden beispielsweise sechs neue Flüssiggasterminals gebaut. Die russische Dominanz auf dem Alten Kontinent ist gebrochen. Mit der Erschließung des russischen Klondike in Sibirien und der Förderung von Schiefergas macht Russland den Vereinigten Staaten Konkurrenz.

Auch die Lobby in Europa sollte man nicht unterschätzen. Mehrere europäische Spitzenpolitiker haben diese Alternative zur Abhängigkeit von Russland bereits vorgeschlagen. Ferner heißt es im Bericht der Europäischen Kommission vom 28. Mai dieses Jahres, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Griechenland sind von Unterbrechungen der Gaslieferungen durch die Ukraine besonders betroffen. D.h. die Länder aus der Region. Übrigens vermerkt auch die Kommission, eine Einstellung der Gaslieferungen würde zu steigenden Flüssiggaspreisen führen. Und so beginnt "South Stream", das den Energieeinfluss Russlands in Europa erhöhen würde, für alle ziemlich heiß zu werden. Aber, wie man im Kinoklassiker „Der Pate“ sagt, „nehmen Sie das nicht persönlich. Letztendlich geht es nur ums Geschäft.“

Übersetzung: Christine Christov



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