Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Das heikle Projekt "South Stream"

Foto: Archiv

An der Westfront... etwas Neues. Kommissionspräsident Jose Barroso hat Bulgarien wegen der Verletzung der europäischen Energieregeln angemahnt. Und während Ministerpräsident Orescharski in Brüssel versicherte, dass Bulgarien sich die Empfehlungen zu Herzen nehmen werde, wurde bei uns bekannt gegeben, dass der Bau der Gaspipeline nun beginnen könne. Gleichzeitig erklärte Energieminister Dragomir Stojnew vor dem Parlament, die Verhandlungen würden trotz der angespannten Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau weitergeführt. Selbst die NATO bezog zu diesem heiklen Thema Stellung, indem Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf die Reduzierung der Energieabhängigkeit von Russland als Priorität verwies und im gleichen Atemzug das South-Stream-Projekt als eine Vertiefung dieser Abhängigkeit bezeichnete.

Wer und warum sorgte in den letzten Tagen in Europa für gereizte Stimmung und hat den Bienenschwarm "South Stream" aufgebracht? Wahr ist, dass die Kommission, was das Pipelineprojekt South Stream betrifft, Bulgarien mehrfach wegen Verletzungen der europäischen Gesetzgebung angemahnt hat. Eine weitere Tatsache ist, dass die bulgarische Regierung ungeachtet dessen an ihrem Standpunkt festhält und die Pipeline bauen will. Die Frage ist, ob Bulgarien damit nicht zum Opferlamm der geopolitischen Spielchen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten wird? Und des neuen kalten Gaskriegs? Die bisher hinter den Kulissen heimlich still und leise geführte Gasschlachten haben längst die Kategorie "Schläge unter die Gürtellinie"  hinter sich gelassen und sich zu einem direkten Schlagabtausch gemausert. Die Isolation und den sinkenden Einfluss auf dem europäischen Energiemarkt als Beleidigung auffassend, schloss Russland am Tag darauf, und zwar um 4 Uhr in der Früh den seit zehn Jahren mit China verhandelten Liefervertrag ab und erhöhte damit seinen Einfluss im asiatischen Raum. Das wiederum verärgerte Brüssel und Washington, die versuchen, Moskau in die Enge zu drängen. Auch sei in der gemeinschaftlichen Energiepolitik "ein Feind mit grünem Licht auf Parteiebene" aufgetaucht, wie sich NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen ausdrückte. "Die Befürwortung des South-Stream-Projekts durch Bulgarien, Österreich, Italien u.a. zeigt die Kluft zwischen den Anforderungen der Gemeinschaft und den konkreten Ergebnissen aus der gemeinschaftlichen Energiepolitik auf." In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum Brüssel vor allem gegen Bulgarien vorgeht, nachdem auch andere Länder in den South-Stream-Kasus involviert sind. Es stimmt schon, dass unser Land die Trumpfkarte des Projekts in der Hand hält - und zwar als Eingangstor für die Gaslieferungen - und versucht, seine nationale Gesetzgebung im Interesse der Gaspipeline zu novellieren. Während es für Bulgarien Kritik aus Brüssel hagelte, schloss sich auch Österreich heimlich still und leise dem Vorhaben an. Sollte Österreich der Standpunkt der Europäischen Union verborgen geblieben sein? Und Italien? Andererseits haben die europäischen Energieakteure trotz der Sanktionen gegen Russland vor einigen Tagen auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg, dem russischen Davos, mit russischen Gas- und Ölkonzernen ein Riesengeschäft abgeschlossen. Und damit erneut gezeigt, dass die Wirtschaftsinteressen nichts mit den politischen Richtlinien gemein haben.

Warum verbrennt sich nunmehr auch die Allianz am heißen Brei? Eigene Projekte von Bulgarien, Rumänien, Griechenland, Zypern und Kroatien würde die Gasförderung und die Exportmöglichkeiten in andere europäische Länder erhöhen, erklärte Rasmussen. Offensichtlich hat der NATO-Chef von der CIA die Information erhalten, dass Bulgarien bei der Gaserschließung weltweit auf Platz 73 einkommt. Obwohl die eigene Gasförderung gerade einmal zehn Prozent des Binnenbedarfs deckt, ist das Potential enorm. Auch stellt sich uns die Frage, womit wir diese besondere Besorgnis um unsere Region verdient haben? Ganz einfach - hier liegt der Schlüssel für amerikanische Flüssiggasexporte nach Europa verborgen. In der EU werden beispielsweise sechs neue Flüssiggasterminals gebaut. Die russische Dominanz auf dem Alten Kontinent ist gebrochen. Mit der Erschließung des russischen Klondike in Sibirien und der Förderung von Schiefergas macht Russland den Vereinigten Staaten Konkurrenz.

Auch die Lobby in Europa sollte man nicht unterschätzen. Mehrere europäische Spitzenpolitiker haben diese Alternative zur Abhängigkeit von Russland bereits vorgeschlagen. Ferner heißt es im Bericht der Europäischen Kommission vom 28. Mai dieses Jahres, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Griechenland sind von Unterbrechungen der Gaslieferungen durch die Ukraine besonders betroffen. D.h. die Länder aus der Region. Übrigens vermerkt auch die Kommission, eine Einstellung der Gaslieferungen würde zu steigenden Flüssiggaspreisen führen. Und so beginnt "South Stream", das den Energieeinfluss Russlands in Europa erhöhen würde, für alle ziemlich heiß zu werden. Aber, wie man im Kinoklassiker „Der Pate“ sagt, „nehmen Sie das nicht persönlich. Letztendlich geht es nur ums Geschäft.“

Übersetzung: Christine Christov



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Auslandsschulden Bulgariens Ende 2023 um weitere 2 Milliarden gestiegen

Die Auslandsverschuldung Bulgariens ist Ende 2023 im Vergleich zu Ende 2022 um 22,7 % oder um über 2 Mrd. Euro gestiegen und hat 10,888 Mrd. Euro erreicht. Das entspricht 11,6 % des BIP, informiert die bulgarische Nationalbank. Im Dezember 2023..

veröffentlicht am 28.02.24 um 13:05

Inbetriebnahme von Flüssigerdgas-Terminal in Alexandroupolis am 1. Mai

Das Flüssigerdgas-Terminal in Alexandroupolis, Griechenland, wird am 1. Mai offiziell den kommerziellen Betrieb aufnehmen , wurde auf der Sitzung der Regulierungskommission für Energie und Wasser bekannt. Die Inbetriebnahme des Terminals war für den 10...

veröffentlicht am 28.02.24 um 11:39

BNB erwartet Wirtschaftswachstum und weitere Immobilieninvestitionen

Die Bulgarische Nationalbank BNB geht davon aus, dass die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums stoppt. In der ersten Hälfte des Jahres 2024 wird die Wirtschaft aufgrund der verbesserten Aussichten für die Auslandsnachfrage nach bulgarischen Waren..

veröffentlicht am 26.02.24 um 11:02