Der Wind begleitet die Menschen schon seit Anbeginn ihrer Geschichte. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass er in unsere Sprache, Folklore und Märchenwelt Eingang gefunden hat.
Der Wind wird in der Meteorologie als eine gerichtete, stärkere Luftbewegung in der Erdatmosphäre bezeichnet. Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Windes stammt wiederum vom italienischen Physiker Evangelista Torricelli, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebte. Jahrhunderte, gar Jahrtausende zuvor sah man in den Winden übernatürliche Erscheinungen, die häufig personifiziert wurden. Es gab nicht nur einen Gott der Winde, sondern jeder Wind führte sozusagen sein bewusstes Eigenleben. Häufig wurden sie entsprechend der vier Himmelsrichtungen unterteilt und jeder hatte seinen eigenen Charakter und war für unterschiedliche Wetter- und andere Erscheinungen verantwortlich.
Auch in Bulgarien war es so. Unsere Vorfahren beobachteten sorgfältig alle Wettererscheinungen, denn davon hing im Endeffekt das Ergebnis ihrer Arbeit als Ackerbauer ab. Und so stellten sie ihr System der Wettervorhersage auf. In Abhängigkeit von Jahreszeit und Windrichtung konnte man verhältnismäßig sicher das Wetter vorausbestimmen. Heute ist das meiste dieser Wetterregeln verlorengegangen, geblieben sind nur die allgemeinen Eigenschaften der Winde und ihre Namen. So z.B. gilt der Ostwind als Nebelbringer, denn er weht vom Schwarzen Meer feuchtere Luft ins Landesinnere, die Nebelerscheinungen verursacht. Der Südwind hingegen beschert gutes Wetter, denn er weht ja aus Richtung des warmen Ägäischen Meeres. Der Nordwind hingegen bringt vor allem im Winter Kälte, die aus den Weiten Russlands stammt.
Laut einer der Vorstellungen der alten Bulgaren würden die Winde in einer großen Höhle eingeschlossen sein. Eine andere Überlieferung spricht von einem Lederbalg. Ein gehörloser Greis würde die Winde darin hüten. Auch andere Hüter der Winde werden genannt, wie eine blinde Großmuter, ein Drachen, der heilige Ilias, zuweilen sogar Gott selbst. Sobald also ein Wind blies sagte man, dass der entsprechende Windhüter ihn losgelassen habe. In Südbulgarien glaubte man, dass alle Winde in der Nacht zu Weihnachten geboren werden und zum Johannestag ihre Namen bekommen.
In den bulgarischen Märchen streiten sich oft die Winde, zuweilen recht heftig. In einem heißt es, sie seien Brüder. Ihnen werden Farben zugeordnet – der schwarze, der weiße, der blaue und der rot Wind. Der böseste unter ihnen sei der schwarze Wind, denn er sei ein Menschenfresser, heißt es in einem der Märchen. Die vier Winde heirateten die Töchter eines alten Mannes. Die Frau des schwarzen Windes war sehr unglücklich über das böse Tun ihres Angetrauten. Sie konnte es nicht lange ertragen und beschloss, ihn mit List los zu werden. Der Zufall half ihr und sie erfuhr, dass sich nachts, wenn ihr Mann schlief, sich sein Herz in ein Ei verwandle und in einem Adlernest versteckt liege. Und so kletterte sie in einer Nacht hinauf ins Gebirge, fand das Ei in dem Nest, nahm es in die Hand und hielt es fest, bis die Sonne aufging. Das Ei konnte sich nicht wieder zurückverwandeln und zersprang...
Die Winde sind aber nicht immer launisch und bringen durchaus nicht immer nur Böses. Es gibt auch gute Winde, wie die frische Brise am frühen Morgen. Laut alten Überlieferungen sei dieser Wind der Bruder der Waldfeen. Doch den Winden kamen auch ganz wichtige Aufgaben zu. So mussten sie wehen, wenn die Spreu vom Getreide entfernt werden musste. Es gab auch spezielle Rituale, um diese nützlichen Winde herbeizurufen. Die jungen Mädchen wiederum vertrauen den Winden ihre geheimen Gedanken an, in der Hoffnung, sie mögen sie den Burschen ins Ohr säuseln.
In einem der bulgarischen Volksmärchen wird von einer Witwe und ihrem Sohn erzählt. Beide würden täglich hart arbeiten, um über die Runden zu kommen. Eines Tages trug die Mutter dem Sohn auf, ihr Mehl aus dem Speicher zu bringen. Das tat der Sohn auch, doch als er aus dem Speicher ging, blies ihm der Wind das Mehl fort. Und das wiederholte sich mehrere Male. Erzürnt lief er nun dem Wind nach, damit er ihm das Mehl wiedergebe. Die Leute, die ihn sahen, rieten ihm davon ab, denn es sei sinnlos, dem Wind nachzujagen. Doch der Junge gab nicht auf und schaffte es sogar, den Wind einzuholen und ihn um Rückgabe des Mehls zu bitten. „Nein, nein, wer hat denn je gehört, dass der Wind irgendwo bei sich Mehl hält“, lachte der Wind herzlich, war jedoch gerührt von der Aufrichtigkeit und den Mut des Jungen und schenkte ihm eine Zauberdecke von der Art „Tischlein deck dich!“. Auf dem Rückweg übernachtete der Junge in einer Gastwirtschaft, wo ihm natürlich die Zauberdecke gestohlen wird. Er beklagt sich beim Wind, der ihn mit einem Hahn entschädigt, dem Goldtaler aus dem Schnabel fallen, wenn er morgens kräht. Und wieder machen die Gastwirte lange Finger. Der Wind ist über die Vertriebenheit der Wirtsleute empört und schenkt dem Jungen schließlich einen kräftigen Zauber-Knüppel, der auf Befehl gute Dienste leistet. Wie die Geschichte ausgeht, kann sich jeder denken.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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