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Pflegeeltern – Beruf oder Berufung

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Neben ihrer eigenen Tochter Pflegen Miroslaw Dolaptschiew und seine Frau seit dreieinhalb Jahren ein kleines Mädchen, das von seinen biologischen Eltern verlassen wurde.
Foto: BGNES

Pflegefamilien setzen sich in den letzten Jahren, wenn auch schwer, als alternative Möglichkeit bei Kindern durch, die von ihren Familien verlassen wurden. Pflegeeltern aus dem ganzen Land gründeten 2009 die Nationale Vereinigung der Pflegefamilien. Dazu gehören gegenwärtig rund 200 Pflegefamilien von den insgesamt rund 2000 Pflegefamilien im Land, die sich in etwa um die gleiche Zahl Pflegekinder kümmern. Bei 300 Pflegefamilien wurden allerdings keine Pflegekinder untergebracht. Die meisten von ihnen sind in der Stadt Schumen und in den Regionen um Pasardschik, Plewen und Warna. Der Grund dafür ist, dass man um Pflegeeltern in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit geworben hat und sie als Arbeitsbeschaffungsmaßname betrachtet wurde. In diesen Regionen gibt es nun zu viele Personen, die den Anforderungen für Pflegeeltern entsprechen, aber nicht genug Pflegekinder.

In der Hauptstadt Sofia gibt es dagegen Familien, die bereit sind, freiwillig Kinder zu pflegen, ohne dafür bezahlt zu werden. In Sofia ist man allerdings weniger bereit, sich langfristig der Pflege von einem oder mehreren Kindern zu widmen. Neben der unzureichenden Planung, bei der Pflegeeltern nicht dort gewonnen und ausgebildet werden, wo es die meisten potentiellen Pflegekinder gibt, sondern dort, wo die Arbeitslosigkeit am höchsten ist, ist ein weiteres Problem das Fehlen eines einheitlichen Standards zur Bezahlung der Pflegeeltern. Der bulgarische Staat stellt gegenwärtig rund 100 Euro im Monat für ein Pflegekind zur Verfügung. Die Arbeit der Pflegeeltern wird mit weniger als 200 Euro monatlich entlohnt.

Der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Pflegefamilien Miroslaw Dolaptschiew meint, dass es in Zukunft die Pflegeeltern, die durch die Bezahlung motiviert werden, nicht mehr geben werde, denn "bei der Kinderpflege muss man viel mehr geben, als man selber bekommt".

Ist es ein Beruf Pflegeeltern zu sein, oder eine Berufung?

"Ich kann nicht sagen. Ich betrachte es eher als eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft - sagt Miroslaw Dolaptschiew. - Für mich ist es kein Beruf, weil wir freiwillige Eltern sind. Meine Familie versucht seit Jahren den Kindern zu helfen, indem wir sie wie andere Freiwillige in den Heimen besuchten. Freunde von der Stiftung "Für unsere Kinder" erzählten uns von der Pflegeelternschaft, durch die man einem Kind unmittelbar helfen und sein Leben verändern kann und wir mit meiner Frau haben uns dafür entschieden."

Neben ihrer eigenen Tochter Pflegen Miroslaw Dolaptschiew und seine Frau seit dreieinhalb Jahren ein kleines Mädchen, das von seinen biologischen Eltern verlassen wurde. Es kam zu ihnen im Alter von 11 Monaten und war in keiner Institution zuvor.

"Es gibt viele Herausforderungen bei den Pflegekindern", sagt Miroslaw Dolaptschiew. "Während man für sein Kind nur vor sich selbst und vor Gott verantwortlich ist, ist man für ein Pflegekind vor dem Staat, vor seinen biologischen Eltern, vor dem nichtstaatlichen Sektor, der den Prozess unterstütz, verantwortlich. Für seine eigenen Kinder führt kaum jemand ein Tagebuch ihrer Entwicklung. Bei den Pflegekindern wird genauestens darüber Buch geführt, was mit ihnen passiert. Denn wenn sie zu anderen Pflege- oder Adoptiveltern kommen, führen sie ihre Geschichte mit sich. Man muss z. B. die Erkrankungen des Kindes kennen, wie lange es in ihrem Haus war, wie hat es sich entwickelt, welche sind seine Bildungs- und emotionelle Bedürfnisse. Das ist eine große Herausforderung, allein schon die Tatsache, dass man Zeit dafür zur Verfügung stellen muss, um darüber nachzudenken."

Miroslaw Dolaptschiew und seine Frau bewahren die Geschichte des kleinen Mädchens sorgfältig auf, um sie seinen künftigen Adoptiveltern oder biologischen Eltern zu übergeben, falls sie es zurück nehmen wollen. Haben die Pflegeeltern keine Angst vor der Trennung?

"Die Trennung ist etwas, mit dem es die Pflegeeltern früher oder später zu tun haben werden", sagt Miroslaw Dolaptschiew. "Aber man mag so gut darauf vorbereitet sein, es ist nicht klar, wie man sie meistert, wenn sie kommt. Ich vermeide es darüber nachzudenken. Wir werden darüber hinweg kommen. Wichtiger ist, was mit dem Kind passiert, wie es mit der Trennung fertig wird. Unsere Sache ist es ihm zu verstehen zu geben, dass der Grund für diese Trennung nicht darin besteht, dass wir es nicht lieben oder wollen. Sehr wichtig ist es, dass das Kind weiß, dass es hier geliebt wurde und dort geliebt sein wird, wohin es kommt. Ich weiß nicht, wie wir es ihm erklären werden. Ich bete nur, dass es leichter für sie sein wird."

Übersetzung: Vladimir Daskalov



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