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Demetrius-Tag

Foto: Archiv

Am 26. Oktober ehrt die orthodoxe Kirche einen Heiligen, der auch im Volkskalender der Bulgaren hoch in Ehren steht. Es ist der Hl. Demetrius. An seinem Ehrentag wurde die Feldarbeit beendet und für die Bauern begann die nächste Periode in ihrem klar geregelten Alltag.

Der heilige Demetrius wurde im 3. Jh. n. Chr. geboren. Nach dem Tod seines Vaters wurde er den Überlieferungen zufolge zum Stadtverwalter der heutigen griechischen Stadt Thessaloniki eingesetzt. Er nahm die christliche Religion an und bemühte sich um ihre Verbreitung, womit er sich den Unmut des römischen Imperators Maximian zuzog. Demetrius wurde eingekerkert, doch selbst dort predigte er weiter, bis er am 26. Oktober des Jahres 306 den Märtyrer-Tod starb. Später fand man seine Gebeine, die Wunder bewirkten. Seine Reliquien ruhen bis heute in der Demetrius-Basilika in Thessaloniki.

Im Volkskalender spielt der heilige Demetrius, gleich dem heiligen Georg, eine große Rolle. Eine Bauernweisheit besagt, dass der heilige Demetrius den Winter und der heilige Georg den Sommer bringen würden. Näheres über die Stellung des Heiligen in den Vorstellungen unserer Vorfahren erzählte uns Dr. Petko Christow vom Ethnographischen Institut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften:

СнимкаIm Volkskalender der Bulgaren rahmen der Demetrius-Tag und der Georgs-Tag die zwei Hauptabschnitte des Jahres – den Sommer und den Winter, also die Perioden der aktiven Feldarbeit und der Zeit der Ruhe ein. Auf dem Balkan und den Karpaten sind beide Feste die wichtigsten im  Jahr, weil sie in enger Verbindung zum Bauernalltag Südosteuropas stehen, vor allem in den Gebirgsdörfern. Im Frühjahr begann der Almauftrieb am Georgstag und zum Demetriustag entsprechend der Almabtrieb. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass diese Feste nicht nur von den Christen, sondern auch von den Moslems hierzulande vermerkt werden. Beide Heilige gelten in den Volksvorstellungen als Zwillingsbrüder und werden entsprechend ähnlich dargestellt. Während der heilige Georg einen Schimmel reitet, sitzt der heilige Georg auf einem Pferd mit einem rötlichen Fell, also einem Fuchs. Ikonen dieser Art sind weit verbreitet.

Die meisten christlichen Feiertage im Herbst stehen mit der Erbringung von Opfern in enger Verbindung“, erzählt weiter Dr. Petko Christow. „Die Ernte ist eingebracht und es ist an der Zeit, dafür zu danken. Entsprechend veranstaltete man in den Dörfern Dankfeste, mit denen die Fruchtbarkeit auch für das nächste Jahr bewahrt werden sollte. Diese Feste begannen bereits am Tag der heiligen Petka, einige Tage vor dem Demetriustag. Man bereitete Opferlammsuppen vor und an den Speisungen beteiligten sich alle Dorfbewohner, selbst die Wanderarbeiter, die sich nicht an der Feldarbeit beteiligt hatten. Es wurde auch zu Hause gefeiert und viele Familien hatten den heiligen Demetrius zum Schutzpatron ihres Hauses.“

Mit dem Demetriustag begann im Kalender unserer Vorfahren die Periode der Hochzeiten. Im Sommer hatten die Bauern auf dem Feld voll auf zu tun und konnten sich daher keine ausgiebigen Feste leisten, denn man musste zuerst für den Winter vorsorgen. Nunmehr im Herbst begann die Uhr langsamer zu ticken, das quirlige Leben draußen wurde mit dem in Haus und Hof vertauscht. Die Frauen widmeten sich vollends der Hausarbeit, während sich die Männer um das Großvieh kümmerten, den Holzvorrat für den Winter auffüllten und an die Wartung der landwirtschaftlichen Geräte und die Karren gingen. Es blieb aber auch Zeit für ein  gemütliches Beisammensein zu Hause, während dem man Pläne für die bevorstehenden großen Feste machte, darunter Hochzeiten und natürlich Weihnachten.

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Dr. Petko Christow vom Ethnographischen Institut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften erzählte uns auch über die Traditionen der Neuzeit: „Unmittelbar nach der Neugründung Bulgariens 1878 begann in Sofia ein Arbeitsmarkt für Bauarbeiter und Dienstmädchen zu funktionieren. Er befand sich unmittelbar neben dem Salzmarkt. Dort konnte man das ganze Jahr über Arbeitskräfte für Bauaufgaben finden – diese Arbeiter haben im Grunde genommen das neuzeitliche Sofia aufgebaut. Unmittelbar nach dem Georgstag und dem Demetriustag fanden sich auf diesem Markt auch junge Mädchen, meist aus den umliegenden Dörfern ein, die sich als Dienstmädchen Geld verdienen wollten bis es Zeit wurde, eine eigene Familie zu gründen. Nach Hause zurückgekehrt nahmen sie etliche „moderne“ Kochrezepte und all das erworbene Wissen mit, wie man einen modernen Haushalt führen und Kinder erziehen kann. Die jungen Männer ihrerseits häuften als Wanderarbeiter das nötige Startkapital für ihre künftige Familie an. Das war insbesondere für die Bewohner armer Gebirgsdörfer von Bedeutung. Zum Demetriustag kehrten sie jedoch nach Hause zurück, um sich an den Festen daheim beteiligen zu beteiligen. Es gibt entsprechend viele Geschichten, in denen darüber erzählt wird, wie auch eine Reihe von Bräuchen, die bei der Verabschiedung und bei der Begrüßung der Wanderarbeiter üblich wurden. In den Orten, deren Bewohner von der Arbeit in der Ferne lebten, gab es bestimmte Plätze, an denen die Verabschiedung bzw. Begrüßung stattfanden. An solchen Orten trennten sich die Familien am Georgstag und kamen am Demetriustag wieder zusammen.“

Daher warteten einst viele Bulgaren mit Sehnsucht auf den Demetriustag, der einerseits zwar den für die Menschen meist entbehrungsvollen Winter einläutete, andererseits aber auch die Familien wieder zusammenführte, oder auch den Anfang neuer setzte…

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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