Die Schule fängt in Bulgarien nach alter Tradition am 15. September an. Leider beginnt der erste Schultag auch in diesem Jahr mit dem alten Problem, das sich zahlenmäßig so ausdrücken lässt: 1.800 Lehrerstellen bleiben unbesetzt; es mangelt vor allem an Lehrern in Englisch, Mathematik und Informatik und das insbesondere in der Hauptstadt Sofia.
Die meisten Schulen haben bereits im vergangenen Schuljahr inseriert und in den Arbeitsämtern die freien Stellen ausgeschrieben, aber Kandidaten sind nicht vorstellig geworden. Warum auch!? Der Lehrerberuf ist alles andere als lukrativ. Selbst langjährige Lehrer wollen umsteigen, denn die Lehrergehälter gehören mit zu den niedrigsten in Bulgarien. Der Durchschnitt liegt in der Branche bei monatlich 300 Euro. Zudem fangen Junglehrer deutlich darunter an.
Über die fehlende Attraktivität des Lehrerberufes teilte uns Dejan Stamatow folgendes mit. Er ist Direktor des 119. Gymnasiums in Sofia.
Es gibt nur sehr wenig junge Menschen, die Lehrer werden wollen, klagt er. Diese Tendenz hält seit Jahren an, wobei auch das Durchschnittsalter der Lehrer steigt – derzeit liegt es bei über 40 Jahren. Zudem wurde dieser Beruf fast vollständig von den Frauen erobert. Wir können die jungen Lehrer kaum halten, weil sie schnell eine besser bezahlte Arbeit finden. Da sie ein Hochschuldiplom besitzen, erwarten sie eine bessere Anstellung. Die Lehrergehälter sind in keiner Weise angemessen, bedenkt man all den Stress und die tägliche Belastung, denen die Lehrer ausgesetzt sind. Es besteht aber noch ein weiteres Problem: Nunmehr sollen nicht nur die staatlichen, sondern auch die Privatschulen finanziell gestützt werden, um eine Gleichgestelltheit der Schüler zu gewährleisten. Mit den staatlichen Geldern würde aber auch die staatlich ausgeübte Kontrolle in den Privatschulen hinsichtlich des Einsatzes der Mittel und der Aufnahme von Schülern ansteigen. Daher lehnen die meisten privaten Schulen diese Gelder ab, um der Kontrolle zu entgehen, die sie in Schwierigkeiten bringen würde. Man darf auch nicht vergessen, dass diese Schulen als Handelsgesellschaften eingeschrieben sind.
Nicht nur die Lehrerzahlen sinken – die Schüler werden auch zunehmend weniger. Viele Klassenzimmer werden zum heutigen Schulbeginn leer bleiben, vor allem in Nordbulgarien. In der Region Russe beispielsweise werden in den Gymnasien trotz eines registrierten Anstiegs der Erstklässler insgesamt 21 Klassen weniger gebildet. Bulgarien befindet sich demographisch auf dem absteigenden Ast und zudem wandern viele junge Familien aus und suchen irgendwo im Ausland nach besseren Lebens- und Entwicklungschancen. Es kommt auch zunehmend häufiger vor, dass lediglich die Eltern auswandern und ihre Kinder zu Hause bei den Großeltern bleiben. Diese sind aber meist kaum in der Lage, bei ihren Enkeln erzieherische Maßnahmen durchzusetzen. Das führt wiederum zu Problemen in der Schule. Dazu Schuldirektor Stamatow:
Diese Gepflogenheit der letzten Jahre verursacht nicht nur in der Schule Probleme, sondern auch in der Familie selbst. Ein Kind muss schließlich von seinen Eltern und nicht von seinen Großeltern erzogen werden. Leider vertieft sich aber auch dieses Problem und die Gründe hierfür sind erneut finanzieller Natur. Rund 40 Prozent der Eltern leisten eine Zuarbeit innerhalb der schulischen Erziehung. Leider sieht das Gros der Eltern in der Schule lediglich eine Art Behörde, die man nur dann aufsucht, wenn von ihr irgendwelche Dokumente ausgestellt werden müssen. Und so verliert der Lehrerberuf zunehmend an Autorität. Der Lehrer ist schon seit langem keine angesehene Persönlichkeit in der Gesellschaft mehr...
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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