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Westliche Unternehmer pochen auf echte Justizreform in Bulgarien

Foto: Archiv

Es hat sich einiges zusammengebraut über das von allen und aus allen Richtungen bemängelte Justizwesen in Bulgarien. Es musste etliche Kritiken, Schreiben, Berichte, Skandale, Beschuldigungen und Kommentare über sich ergehen lassen. Um es zu resümieren: Man ist sich einig, dass dringende und radikale Reformen nötig sind, die auch gleich und sofort von allen zu spüren sind.

Eine der schärfsten Kritiken war in einem Schreiben an Ministerpräsident Bojko Borisow enthalten, in dem die Leiter von zehn Handelskammern westeuropäischer Staaten und der USA in Bulgarien auf eine tatsächliche Justizreform und Obrigkeit des Gesetzes bestehen. Dieses präzedenzlose Schreiben wiederholt de facto die von den bulgarischen Behörden offiziell gebilligte Strategie zur Justizreform. Deren Vertreter werden nicht müde zu behaupten, die Umsetzung dieser Reform komme voran, wenn auch nur langsam und zögerlich. Offensichtlich sind die westlichen Investoren aber ganz anderer Meinung. Ihr Fazit lautet: Bisher wurde nichts Wesentliches getan, um die Lage im Justizwesen wirklich zu wenden.

Bojko Borissow hat auf die scharfe Kritik von Seiten der westlichen Geschäftsleute nicht persönlich reagiert. Mit dieser Aufgabe hat er aber die Vizepremiers und Minister seines Vertrauens betraut – den für EU-Gelder zuständigen Vizepremier Tomislaw Dontschew, Vizepremierin und Innenministerin Rumjana Batschwarowa und Justizministerin Ekaterina Sachariewa. Die Tatsache, dass sich Politiker auf höchster Ebene mit diesem Problem befassen, zeugt von der großen Bedeutung, die die bulgarischen Behörden dem empörten Schreiben der Investoren und deren Unzufriedenheit beimessen. Beim Treffen zwischen Vertretern der Geschäftswelt und der Behörden wurde eigentlich nichts Neues gesagt oder versprochen, wenn man die inzwischen klischeehaften Beteuerungen in puncto Reformen beiseite lässt. Indem die Vertreter der heimischen Behörden zum wiederholten Male versichert haben, die Regierung sei fest entschlossen, die Lage im Justizwesen zu ändern, wollten sie nicht nur die ausländischen Unternehmer beschwichtigen, sondern auch Brüssel ihren guten Willen demonstrieren, denn zwei Tage später sollte die Europäische Kommission ihren aktuellen Bericht über die Fortschritte Bulgariens in den Bereichen Sicherheit und Justiz vorlegen. Vorher schon mahnten angesehene Insider, dieser Fortschrittsbericht würde extrem kritisch ausfallen. Und sie sollten Recht behalten. Ergo hat die PR-Aktion mit Vertretern der westlichen Geschäftswelt nicht ausgereicht, um die Bewertungen und Empfehlungen der Europäischen Kommission zu nuancieren und zu mildern.

Binnen einer Woche sah sich Bulgarien also durch zwei der angesehensten Institutionen gezwungen, Verantwortung für den Mangel jeglicher Fortschritte bei der Reformierung seiner Justiz zu übernehmen. Die Tadelnden stellte aber Hilfe in Aussicht. Die ausländischen Anleger in Bulgarien wollen Vorschläge zur Novellierung der Gesetze unterbreiten, die Europäische Kommission wiederum will Fachleute nach Bulgarien entsenden, die die Probleme vor Ort analysieren und nach Lösungen suchen sollen. Allein die Judikative in Bulgarien schienen die massiven Kritiken nicht sonderlich zu stören und so befasst man sich dort unverdrossen weiter mit Verschwörungen, privaten Auseinandersetzungen und sucht die Schuld bei allen anderen, nur nicht bei sich. Und das wirft wieder einen tiefen Schatten der Skepsis über die ansonsten so guten Reformabsichten.


Übersetzung: Rossiza Radulowa




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