Mit zu den am meisten in der Öffentlichkeit diskutieren Themen in dieser Woche war die Frage, ob der Lohnzuschuss für geleistete Dienstjahre und angehäufte Erfahrungen weiterhin ausgezahlt oder gestrichen werden soll. In den Jahren sind häufig Diskussionen zu diesem Thema entbrannt, jüngst wurde es von Vizepremierminister Waleri Simeonow aufgeworfen, der im Kabinett Borissow 3 für die wirtschaftliche und demographische Politik zuständig ist. Die Debatte zu dieser Frage brachte er, wie er später zugab, ohne eine vorherige Absprache mit der Parlamentsfraktion seiner Partei oder der Regierung in Gang. Er meinte aber auch, sie solle vom Nationalen Dreiseitenrat, an dem sich Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber beteiligen, erörtert werden.
Die Idee zur Streichung begrüßten als aller erste, wie nicht anders zu erwarten, die Arbeitgeber, die der Ansicht sind, dass die Löhne endlich auf der Grundlage von Marktprinzipien bemessen werden sollen. Dabei würden Angebot und Nachfrage in dem entsprechenden Sektor und die Arbeitsproduktivität des einzelnen Arbeitnehmers ausschlaggebend sein. Die Arbeitgeber warfen ein, dass der Lohnzuschuss für geleistete Dienstjahre für Ungerechtigkeit unter den Lohnempfängern sorge. Verlierer seien jene, die erst seit Kurzem einer Arbeit nachgehen; zudem seien deren Arbeitsproduktivität und Effektivität nicht unbedingt niedriger, als die älterer Kollegen.
Die Idee Simeonows stieß jedoch auf den heftigen Widerstand der Gewerkschaften, die Massenproteste ankündigten, falls der Zuschlag gestrichen werden sollte. Sie meinten, dass solche Fragen erst von Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen und der politischen Führung breit diskutiert werden müssen. Gewerkschaftsvertreter argumentierten, dass die Einkommen in Bulgarien so und so schon niedrig genug seien und vor allem die ärmeren arbeitenden Bürger sogar noch ärmer machen würde. Die Arbeitgeber konterten, dass es eigentlich nicht um eine Streichung in dem Sinne gehe, sondern darum, die Löhne um den Zuschlag einmalig zu erhöhen. Doch daran glauben die Gewerkschaften und etliche Wirtschaftsexperten nicht, die nicht vom entsprechenden Willen der Arbeitgeber überzeugt sind.
Die Kontroversen führten dazu, dass am Donnerstag eine Sondersitzung beim Ministerpräsidenten Bojko Borissow einberufen werden musste. Darauf hatten die Gewerkschaften bestanden und sie wurden nicht enttäuscht, denn der Premier versicherte, dass der Lohnzuschuss für geleistete Dienstjahre und angehäufte Erfahrungen weiterhin unangetastet bestehen werde. Die anwesenden hohen Gewerkschaftsfunktionäre wie Dimitar Manolow (Präsident der „Podkrepa“) meinten, dass das Thema momentan nicht auf die Tagesordnung gehöre. Der Präsident der KNSB Plamen Dimitrow fügte hinzu, dass die aufgeworfene Streichung in keiner Weise im Regierungsprogramm erwähnt werde. Viel wichtiger seien seinen Worten nach Fragen im Zusammenhang mit den Einkommen, der Beschäftigung, den Reformen in der Gesundheitsfürsorge und der Bildung, die einer Lösung harren. Vizepremierminister Simeonow betonte erneut, dass Probleme im Zusammenhang mit der bulgarischen Arbeitsgesetzgebung vom Nationalen Dreiseitenrat gelöst werden müssen und gab zu verstehen, dass er seine übereilte Initiative bereue, da sie in der Öffentlichkeit als Haltung der gesamten Regierung aufgefasst worden sei.
Nach der Sitzung beim Ministerpräsidenten wurde bekannt, dass man die Arbeit des Dreiseitenrates organisatorisch neu regeln werde. Er solle sich künftig mit allen aktuellen und strittigen Fragen, wie auch mit dem Regierungsprogramm auseinandersetzen.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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