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Studenten wollen Bulgarien umgestalten – in ein Land ohne Korruption, altbackene Bildung und sieches Gesundheitswesen

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„Gestalte Bulgarien und Europa um“. Unter diesem Motto startete in Sofia eine internationale Konferenz, die auf einen konstruktiven Dialog setzt. Die Veranstalter von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gaben jungen Bulgaren die Möglichkeit, konkrete Fragen an führende Politiker und Abgeordnete im jetzigen Parlament zu richten. Als Grundlage der Diskussionen diente eine Resolution, die von 1.000 bulgarischen Studenten ausgearbeitet wurde. Sie umreißt die fünf akutesten Probleme im Land, aus denen viele andere erwachsen. An erster Stelle listen sie die Probleme im Justizwesen auf, gefolgt von der Korruption, der Krise im Bildungs- und Gesundheitswesen und der Apathie und dem Misstrauen der einfachen Bürger gegenüber den Politikern.

Zweifelsohne gehört die Korruption zu den führenden Themen bei öffentlichen Debatten dieser Art. Die Diskussionsteilnehmer definierten sie als Machtmissbrauch, bei dem Vertreter der Administration materiellen und vor allem finanziellen Nutzen für sich ziehen, indem sie diverse Dienstleistungen für Firmen und Bürger leisten.

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Korruption allgegenwärtig ist und kein öffentlicher Sektor von ihr verschont wurde“, sagte die 23jährige Joana Dermendschiewa, die unlängst ihr Studium in Deutschland abgeschlossen hat. „Nährboden für Korruption sind die niedrigen Einnahmen der Menschen und die althergebrachte Auffassung, dass sich alle Probleme mit Geld lösen lassen. Bedauerlicherweise bleibt Korruption hierzulande seit Jahren ungestraft und löst einen regelrechten Dominoeffekt aus. Immer wieder berichten die Medien von Korruptionsfällen und die Leute denken bei sich: wenn es sich die einen leisten können, dann sollten es auch die anderen tun können. Da die Korruption allgegenwärtig ist, drängt sich die berechtigte Frage auf, ob Bulgarien ein Rechtsstaat ist. Selbst im Justizwesen sind Korruptionspraktiken keine Seltenheit. Oft unterstützt das Justizwesen die Korruption, anstatt gegen sie vorzugehen. Für die Bürger existieren keine Garantien für Gerechtigkeit. Ein Großteil der Gerichtsverfahren wird hinausgezögert. Diese Unsicherheit und Ungerechtigkeit schreckt viele Investoren ab und bringt die jungen Bulgaren dazu auszuwandern. Es gibt drei Dinge in Bulgarien, die dringend und von Grund auf umgestaltet werden sollten – die Justiz (mit Blick auf die Korruption), das Gesundheitswesen und die Bildung. Aus ihnen resultiert das große Problem – die Apathie und die demographische Krise in unserem Land“, meint Joana Dermendschiewa.

Foto: Friedrich-Naumann-Stiftung

An den Diskussionen beteiligten sich Politiker aus den drei großen politischen Formationen, die seit Jahren das Land regieren. Die GERB-Partei wurde von Vize-Außenminister Georg Georgiew vertreten. Von Seiten der Linken war die stellvertretende BSP-Vizevorsitzende für internationale Politik Deniza Slatewa präsent und für die Liberalen von der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) stand Vize-Parlamentspräsident Nigjar Dschafer Rede und Antwort.

Bulgarien muss nicht gänzlich umgestaltet werden, sondern jene Sphären, die die jungen Leute angeführt haben. Der Schlüssel liegt meiner Ansicht nach in der Stärkung unseres Selbstvertrauens – wir sollten uns selbst gut einschätzen, uns aber auch unsere Fehler eingestehen können. Bulgarien reiht sich derzeit unter die Top-Fünf in Europa in puncto Fiskaldisziplin. In den letzten 27 Jahren haben wir alle für die NATO- und EU-Mitgliedschaft unseres Landes gearbeitet“, erklärte Georg Geogiew von der GERB-Parlamentsfraktion.

Wir sollten unseren Mitbürgern ein Gefühl von Kontinuität und Nachhaltigkeit vermitteln“, sagte ihrerseits Deniza Slatewa von der oppositionellen BSP. „Wir werden Zeuge, wie mit einem jeden Regierungswechsel auch die Behörden in der Exekutive, Legislative und Judikative ausgetauscht werden. Die Politiker begehen den Fehler, dass sie sich bei der Durchführung von Reformen von ihren Parteiansichten leiten lassen, ohne für Kontinuität und Nachhaltigkeit zu sorgen“, meinte Deniza Slatewa.

Ich beglückwünsche euch für die Akzente in eurer Resolution und vor allem für den fünften – Apathie in der bulgarischen Gesellschaft. Die größte Krise in Bulgarien ist derzeit die demographische. Die jungen Leute verlassen das Land wegen dem Mangel an Reformen und weil sie hier keine Zukunft für sich sehen. Es macht sich aber auch eine große Krise der Werte und zwischenmenschlichen Beziehungen breit, gepaart mit Hassbotschaften, die Führungspolitiker, Medien und Bürger unter sich austauschen“, betonte Vize-Parlamentspräsident Nigjar Dschafer.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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