Außer die mehrfach erklärten Prioritäten während der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft, brachte Bulgarien deutlich seinen Willen zum Ausdruck, in den nächsten sechs Monaten seine Kandidatur für den Beitritt zum europäischen Währungssystem ERM II vorzustellen. Das ist eine wesentliche, wenn auch erwartete Evolution der Politik der bulgarischen Behörden, die 11 Jahre nach dem Beitritt Bulgariens zur EU nichts konkretes unternommen haben, um sich der Eurozone anzuschließen, obwohl das im EU-Beitrittsvertrag verankert ist. Worauf ist diese Wende zurückzuführen und welche Erfolgschancen gibt es dafür?
Die bulgarische Wirtschaft entwickelt sich in den letzten 2-3 Jahren gut und weist einen Wirtschaftswachstum von rund 4% auf. Das soll, laut Weltbank, auch in den kommenden Jahren so sein. Nach einer mehrjährigen Deflation beträgt die Inflation 2,8% und ist unter Kontrolle. Die Auslandsverschuldung ist unter 30% vom BIP, einen Haushaltsdefizit gibt es nicht, dafür aber einen Haushaltsüberschuss. Es gibt auch einen seit 20 Jahren fixen Wechselkurs gegenüber dem Euro. Das sind eigentlich die Anforderungen von Maastricht für den Beitritt zur Eurozone. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", erklärte diesbezüglich der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow während seiner Ansprache bei der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes.
Was die bulgarischen Behörden denken, ist eins, etwas ganz anderes die Meinung der europäischen Institutionen, von denen die Entscheidung abhängt. Es gibt keine erstzunehmende internationale Finanz- oder Wirtschaftsinstitution, die nicht der Meinung ist, dass der Platz Bulgariens in der Eurozone ist. Diese Meinung vertreten die Weltbank und ihre Geschäftsführerin Kristalina Georgiewa, sowie der Internationale Währungsfond IWF. Wohlgesonnen ist auch der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker, der mehrmals unterstrichen hat, dass der Platz Bulgariens in der Eurozone ist. Auch während der Eröffnung des bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft ließ er sich nicht nehmen, seine Meinung zu wiederholen, jedoch mit dem Zusatz, dass „noch ein kleines bisschen fehlt.“
Bescheidener in ihrer Bewertung sind die internationalen politischen Beobachter und Finanzexperten bezüglich der bulgarischen Chancen für den Beitritt zur Eurozone. Auch sie geben zu, dass Bulgarien formell alle Anforderungen erfüllt hat, erinnern aber daran, dass es sich um einen politischen Beschluss handelt, der mit vollem Einvernehmen gefasst werden muss. Und genau an dieser Stelle gehen die Meinungen auseinander, weil Bulgarien von den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich bewertet wird. Besonders deutlich wurde das am Vorabend der Feierlichkeiten anlässlich des bulgarischen EU-Ratsvorsitzes. Zahlreiche international anerkannte Medien veröffentlichten objektive, aber sehr kritische Informationen über Bulgarien, in denen Themen wie Korruption, Kriminalität und Armut dominierten. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Empfehlung, dass bevor Bulgarien den Euro einführt, das Land sich dem Lebensstandard in der Eurozone annähernd müsse.
Tatsächlich muss in dieser Beziehung noch kräftig aufgeholt werden. Das Land ist jedoch auf dem richtigen Weg und die Perspektiven für eine baldige Aufnahme in den Euro-Raum scheinen real. Nicht vergessen sollte man aber die bittere Erfahrung mit der Nichtzulassung Bulgariens zum Schengen-Raum. Bulgariens Justiz und das Innenministerium unterliegen noch immer einer erniedrigenden und nicht effektiven Aufsicht durch die EU wieder aus politischen Gründen, obwohl das Land formell alle Anforderungen erfüllt. Dabei sollte gerade die EU ein lebhaftes Beispiel für die Anwendung der Prinzipien der Obrigkeit des Gesetzes sein und sich nicht von subjektiven und politischen Einschätzungen oder der gegenwärtigen Konjunktur leiten lassen.
Übersetzung: Georgetta Janewa
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