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Hochschulen in Bulgarien: Quantität auf Kosten der Qualität

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Foto: BGNES

Am 1. Oktober wurde in Bulgariens Hochschulen das neue akademische Jahr eröffnet. In 55 Lehreinrichtungen studieren insgesamt 300.000 Studenten in verschiedenen Fachrichtungen und Studienjahren, davon 55.000 im ersten Studienjahr. Die staatlichen Planstellen waren insgesamt 70.000. Bei einer Bevölkerung von knapp 7 Millionen ist die Anzahl der Hochschulen und Studenten auf den ersten Blick beeindruckend. Doch es ist keinesfalls so, denn in Bulgarien sind knapp 30% der Bevölkerung Akademiker im Gegensatz zu Europa, wo dieser Prozentsatz 40 beträgt.

Die Bulgaren haben die Bildung ihrer Kinder schon immer für etwas sehr wichtiges gehalten. Während des Kommunismus und der Diktatur des Proletariats stand die körperliche Arbeit aber an erster Stelle. In dieser Zeit wurde halb spöttisch den Kindern empfohlen „zu lernen, damit sie nicht arbeiten müssen“. Nach der Wende 1989 und während des Übergangs zur Demokratie wurde diese „Empfehlung“ mehrfach modifiziert durch Beispiele aus dem realen Leben als aggressive, primitive, ungebildete doch dafür muskelbepackte junge Männer über Nacht reich wurden und den Neid der Bevölkerung auf sich zogen. Dieses durch kriminelle Machenschaften prosperierende Kontingent von Schlägern und Erpressern, vom Volk „Mutri“, zu Deutsch Fratzen, genannt, wurde zum neuen Vorbild für die Jugend, denn es bewies auf spektakuläre Weise, dass man auch ohne Bildung Erfolg haben kann. Eine gewisse Zeitlang zählte das Hochschuldiplom wenig, doch diese Phase ist bereits überstanden. Inzwischen ist das Ansehen des Hochschuldiploms wiederhergestellt, auch dank der Bemühungen des Staates.

Das Bildungsministerium stellt jedes Jahr für jede staatliche Hochschule eine bestimmte Anzahl von Studienplätzen in verschiedenen Fachrichtungen zur Verfügung. Es kommt aber selten vor, dass diese Planstellen zu 100% besetzt werden, sei es weil sie für Studienrichtungen geschaffen sind, die bei den Studenten unbeliebt sind oder weil die Zahl einfach zu hoch angesetzt ist. Andererseits sind die Hochschulen interessiert, so viele Studenten wie möglich aufzunehmen, weil von der Anzahl der Studenten die Höhe der staatlichen Subventionen abhängt.

Die Politik zur Erhöhung des Anteils der Akademiker an der Bevölkerung sorgt für Kontroversen, weil sie anstatt auf Qualität auf die Quantität setzt. Oft wird beobachtet, dass die Anforderungen an die Studenten herabgesetzt werden, damit die weniger motivierten von ihnen nicht von der Hochschule abgehen, sollten sie die Prüfungen nicht bestehen. Das ist auch der Grund, weshalb die bulgarische Hochschulbildung kein besonders hohes internationales Ansehen hat. Die älteste und immer noch begehrteste bulgarische Hochschuleinrichtung, die Universität „Hl. Kliment von Ohrid“ in Sofia, die in den 130 Jahren ihrer Existenz mehr als 300.000 Hochschulabsolventen ausgebildet hat, nimmt im University Ranking by Academic Performance (URAP) für 2017/2018 den 855. Platz ein!

Diese Meinung wird übrigens auch von den bulgarischen Arbeitgebern geteilt, die seit Jahren Alarm schlagen, dass die Hochschulbildung nicht den Erfordernissen der realen Arbeitswelt entspricht. Sie gehen sogar so weit zu behaupten, dass die Hochschulabsolventen nur auf dem Papier Spezialisten mit Berufskenntnissen und Erfahrung sind, die die Gesellschaft und die Unternehmen braucht. Daher erscheint es nicht verwunderlich, dass vor kurzem beschlossen wurde, anerkannten Unternehmern und Industriellen zu gestatten, in Hochschulen zu unterrichten. Das wird offensichtlich für alle Beteiligten und für ganz Bulgarien nützlich sein, das keine andere Zukunft hat als ein technologisch hochentwickeltes und konkurrenzfähiges Land zu werden.

Übersetzung: Georgetta Janewa



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