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Dobri Wojnikow – der geborene Lehrer


Mitten in der Stadt Schumen in Ostbulgarien befindet sich ein Museum, das dem Leben und Werk von Dobri Wojnikow gewidmet ist. Die Stadt ist überdies für eine Reihe von bedeutenden Bulgaren bekannt, die ihren Beitrag zur geistigen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung von Schumen und Bulgariens überhaupt in der Epoche der bulgarischen Wiedergeburt geleistet haben.

Reisende, die die Stadt vor Jahrhunderten besuchten, beschreiben mit Erstaunen verschiedene Kulturereignisse, organisiert von den dort lebenden Bulgaren. In ihren Reisebeschreibungen finden sich interessante Einzelheiten über die Geschichte der Stadt, darunter beispielsweise die erste dokumentarisch belegte weltliche Ehrung der heiligen Brüder Kyrill und Method. Ebenso in Schumen wurde das landesweit erste Kulturhaus gegründet; das geschah im Jahre 1856. Hier wurde auch die erste Theateraufführung organisiert und das erste Stadtorchester gegründet. In der Stadtgeschichte sind noch eine Reihe solcher Ereignisse zu finden. Etliche darunter stehen mit Dobri Wojnikow in Verbindung.

Die Museumssammlung in seinem einstigen Wohnhaus bewahrt Dokumente, Handschriften, persönliche Gegenstände und Theaterkostüme auf, die seine Vielseitigkeit dokumentieren. Krassimira Tschalakowa erzählte uns mehr. Sie arbeitet als Kuratorin am Museum „Dobri Wojnikow“ und gehört zu den eifrigen Erforschern des Werks dieses bulgarischen Intellektuellen.

Er war an erster Stelle ein passionierter Lehrer, der viele Dinge in Bulgarien eingeführt hat“, erzählt die Kuratorin. „So hat er beispielsweise die moderne Notenschrift eingeführt, die die noch aus byzantinischer Zeit stammende Neumenschrift ersetzte.


Auch hat er europäische Unterrichtsmethoden durchgesetzt. Aus seiner Feder stammen die ersten Lehrbücher in Geschichte und Grammatik. Er lehnte die autoritären Lehrmethoden ab und führte selbst interessante Lehrstunden durch, in denen er auf die Interessen der Schüler einging und es schaffte, sie für das entsprechende Fach zu begeistern. Bereits als Jugendlicher beschäftigte sich Dobri Wojnikow mit Musik. Er gehörte zu den ersten Musikern in Schumen, aus denen 1850 das erste bulgarische Orchester europäischer Art gebildet wurde. Geleitet wurde es vom Ungarn Sáfrány Mihály. Als dieser in seine Heimat zurückkehrte, überreichte er den Dirigentenstock Dobri Wojnikow, der damit zum ersten bulgarischen Leiter eines solchen Klangkörpers wurde. Mit der Zeit wurde ihm bewusst, dass die Musik ein gutes Instrument ist, um das nationale Selbstbewusstsein der Bulgaren zu wecken. Wojnikow war ferner unter den Schauspielern der ersten Theateraufführung in Bulgarien. Im rumänischen Brăila, wo er sich 1864 aufhielt, gründete er eine Theatertruppe, die die ersten in der Geschichte Bulgariens aufgeführten Geschichtsdramen inszenierte, die übrigens von ihm selbst geschrieben wurden. Er schaffte es, die dortigen bulgarischen Emigranten zu begeistern. Unter ihnen war Christo Botew, der sich dann an dieser Theatertruppe beteiligte. Im Grunde genommen strebte Dobri Wojnikow mit seiner Tätigkeit in Kunst, Kultur und Bildung die Befreiung Bulgariens an. Ohne Waffen und Blutvergießen half er vielen Bulgaren, sich ihrer nationalen Identität bewusst zu werden. Nicht zufällig erklangen dann viele Lieder von Dobri Wojnikow während der Befreiungskämpfe.“

Nachdem er sich in verschiedenen Donaustädten aufhielt, kehrte Dobri Wojnikow 1875 nach Schumen zurück, wo er sein Werk fortsetzte und die von ihm entfachte Kulturarbeit erneut ankurbelte. Seine Frau wagte es als erste, sich an einer Theateraufführung zu beteiligen, was im Rahmen des Osmanischen Reiches geradezu skandalös war.

Eines der bis heute meistgegebenen Stücke von Dobri Wojnikow ist „Die falsch verstandene Zivilisation“.

Er war äußerst bescheiden und bezeichnete seine Werke als „Schülerarbeiten“, setzt Krassimira Tschalakowa fort. „Aus heutiger Sicht kann man in ihnen viele Unzulänglichkeiten erkennen, ihr Wert liegt aber in der Kulturrevolution, die er mit ihnen entfacht hat. Er hat ferner Volkslieder notiert und Schullieder geschrieben. Als erster pflegte er den mehrstimmigen Gesang in der Schule und gründete den ersten mehrstimmigen Schulchor. Sein Verdienst liegt darin, dass er der großen Kraft der Kunst bewusst wurde. Für ihn waren Musik und Schauspiel eine Einheit, da sie die gleiche Botschaft tragen. Er wirkte als Autor, Bühnenbildner, Regisseur und Schauspieler. Lieder von ihm wurden inmitten der Schauspielstücke, wie auch in den Pausen gesungen. All das waren Mittel seiner schulischen und aufklärerischen Mission. In meinen Augen war er ein geborener Lehrer.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: museum-shumen.eu

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