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Ritualbrote für die Zeit vom Ignatiustag bis Weihnachten

„Ein neuer Tag, ein neues Jahr“ – sagte man einst am Ignatiustag. Laut den Vorstellungen unserer Vorfahren begann am heutigen Tag das „junge Jahr“. Es war sehr wichtig, wer am Ignatiustag als erster zu Besuch kam. Falls es ein guter, vermögender und glücklicher Mensch war, wurde das als ein Omen für Fruchtbarkeit und Wohlergehen gedeutet. Aus diesem Grund galt es an diesem Tag für unschicklich, jemanden, wer es auch sei, ohne ausdrückliche Einladung zu besuchen. Man ging auch nicht ohne triftigen Grund aus dem Haus und wenn es unbedingt notwendig war, kehrte man nie mit leeren Händen nach Hause zurück. Zum Ignatiustag wurde viel orakelt und man vollführte so allerhand magische Handlungen, um für das kommende Jahr Fruchtbarkeit, besonders beim Federvieh heraufzubeschwören. In einigen Teilen Bulgariens wurde die Tafel an diesem Tag als erste der anstehenden Festtage beweihräuchert.

Es herrschte der Glaube vor, dass an diesem Tag die Geburtswehen der Gottesmutter einsetzten und damit die Weihnachtszeit begann. Noch war Fasten angesagt, doch das war kein Grund, auf besonders geschmückte Ritualbrote zu verzichten, die unter Vollführung spezieller Rituale hergestellt wurden.

In den frühen Morgenstunden des Ignatiustag bereiteten die Frauen den Teig für diese Ritualbrote zu. Nachdem der Teig aufgegangen war, nahm man die Instrumente zum Hecheln von Hanf und trennte damit ein kleines Stück Teig ab, das man den Krankheiten weihte. Daraus knetete man einen Kringel, der jedoch nicht gebacken wurde, sondern man ließ ihn irgendwo trocknen. Wenn im Jahr über jemand erkrankte, dann brach man von diesem Kringel ein Stück ab, bestrich es mit etwas Honig und reichte es dem Kranken. Ebenfalls vom Teig für das Ritualbrot zum Ignatiustag nahm man mit zwei Fingern ein Stück und zeichnete ein Kreuz an einen der Balken des Hauses, damit das Böse fern bleibe. Erst danach ging man daran, kleine Fladen zu machen - für jedes Familienmitglied einen und einen weiteren, der zu Heiligabend beweihräuchert werden sollte. Vielerorts in Bulgarien wurden auch andere Ritualbrot hergestellt. In der Region der Stadt Tetewen beispielsweise stellte man einen Kringel und eine Puppe her, die man nach dem Backen mit Honig bestrich. Falls der erste Besucher des Hauses männlichen Geschlechts war, erhielt er den Kringel; einem weiblichen Besucher übergab man die Puppe. In Nordostbulgarien knetete man einst ein besonderes Brot, das man Ignatius-Rundbrot nannte. Dieses wurde beweihräuchert und man gab jedem Familienmitglied ein Stück davon ab. Stücke davon warf man danach in die Kornspeicher und Maiskörbe.

Einen interessanten Brauch hat der Ethnologe Dimitar Marinow an der Wende zum 20. Jahrhundert beschrieben. Dieser Brauch war bereits damals selten und wurde einzig in einigen Dörfern in der Region der Stadt Russe gepflegt. Man nannte ihn „Hüten des Sauerteigs“. Der Brauch hatte einen stark magischen Charakter und wurde deshalb von der Kirche untersagt. Wie Marinow schrieb, hat es ihn sicher auch anderswo gegeben, wurde aber geheim gehalten.

Für die Tafel zu Heiligabend wurden mehrere Arten Brot gebacken, die jeweils unterschiedliche Funktionen hatten. Das wichtigste Ritualbrot nannte man „Gottes Brot“. Es galt als ein blutloses Opfer, das man Gott und dem Haus darbrachte. Auf dem Brot selbst durfte das Kreuzsymbol nicht fehlen. Der Teig für das Kreuz durfte nicht mit einem Messer geschnitten werden, sondern wurde einzig mit dem Brotschaber geformt. In der Mitte des Kreuzes drückte man vor dem Backen einen Prosphoron-Stempel auf. In vielen Dörfern Bulgariens war es Brauch, ein Ritualbrot zuzubereiten, dass man dem „jungen Gott“, sprich dem Neuen Jahr, weihte.

Die zweite Art Ritualbrote zum Weihnachtsfest wurden der Landwirtschaft und Viehhaltung geweiht. Etliche Brote dieser Art wurden entsprechenden mit Symbolen aus Teig geschmückt, die für die jeweilige landwirtschaftliche Tätigkeit standen. Während man diese Ritualbrote zubereitete, mussten vor dem Tor des Gehöfts drei Hunde wachen, die an einem Samstag geboren worden sind; man glaubte, dass solchen Hunden das Böse nichts antun könne.

Nach dem Backen der Brote wurden sie beweihräuchert und an diejenigen verteilt, die die jeweiligen landwirtschaftlichen Tätigkeiten ausübten. Teile davon wurden entsprechend an die Orte der Verrichtung der Arbeiten gelegt. Ein Stück des Ritualbrotes legte man in der Nacht der Geburt Christi auch unter das Kopfkissen. Was man träumte, sollte sich im kommenden Jahr ereignen.

Mit speziellen Kringeln beschenkte man ferner die Weihnachtssänger, die zu Heiligabend die Runde machten und jedes Haus besuchten und mit speziellen Gesängen die Bewohner und ihr Eigentum segneten.

Einst bereitete jede Hausfrau die Ritualbrote so zu, wie sie es von ihrer Mutter und Großmutter gelernt hatte. Bei der Ausschmückung der Brote konnten sie ihrer Phantasie entsprechend ihres Könnens freien Lauf lassen, musste jedoch die grundlegenden Symbole einhalten, wie auch die Rituale, die die Herstellung begleiteten.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: BGNES und Archiv

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