Neujahr ist ein wichtiges Fest im Kalender der Bulgaren, wenn der Neuanfang gefeiert wird. Heute ist es vermutlich nicht mehr so wichtig, welche Bedeutung dieses Fest hat. Für unsere Vorfahren war es aber ganz anders und davon zeugen die Vorbereitungen auf diesen Tag, die bereits am 20. Dezember, dem Ignatiustag, einem großen volkstümlichen Fest im Winterkalender begannen. Nach dem Ignatiustag folgt der zweite wichtige Festtag im Volkskalender der Bulgaren – Weihnachten. Und der nächste ist der Basiliustag am 1. Januar. Dann feiern auch alle, die den Namen des Heiligen tragen. Er lebte übrigens im 4. Jahrhundert. Und hier vermischen sich heidnische und christliche Bräuche, denn am gleichen Tag ehrte man nach alter Tradition das Mädchen Wassilija, die eine beliebte Wahrsagerin aus vorchristlicher Zeit war. Sie war für ihre Wahrsagungen über die künftige Ehe der Mädchen bekannt. Am 1. Januar sind dann auch die sog. Surwakari unterwegs.
Unter den Klängen von Volksliedern wünschten die Kinder mit ihren bunten Neujahrsruten (Surwatschki) Glück und viel Erfolg im neuen Jahr. Auch heute noch bastelt man hierzulande Neujahrsruten aus Zweigen der Kornelkirsche, die mit selbstgebackenen Brezeln und buntem Papierschmuck verziert werden. Die Kornelkirsche symbolisiert die Gesundheit, denn die Zweige dieses Strauchs sind besonders zähe und widerstandsfähig.
Blicken wir wieder zurück in die Vergangenheit: Glück und Gesundheit im neuen Jahr wünschten mit der Neujahrsrute einst die Junggesellen – sie zogen durch die Häuser im Dorf, wo unverheiratete Mädchen wohnen. Die Junggesellen trugen auch die für die Hochzeit typischen Trachten – um die Schulter wurden bunte Handtücher gebunden, um den Hals band man ihnen rote, blaue und grüne Perlen um. An die traditionelle Pelzmütze wurde Efeu und anderes immergrünes Laub gebunden. Die Vorbereitung ähnelte den Hochzeitsritualen. Im Haus des Mädchens fand dann anschließend eine Art Wettsingen statt.
Um die Jahreswende vollführen aber nicht nur die jungen Männer traditionelle Rituale. Auch die jungen und unverheirateten Mädchen versammelten sich in der Silvesternacht und rätselten über ihren künftigen Auserwählten. Sie warfen Fingerringe in einen kleinen Wasserkessel, der in der Silvesternacht unter freiem Himmel blieb. Das Wasser musste aus einer frischen Quelle stammen. Am frühen Morgen des 1. Januar versammelten sich dann die Mädchen und sangen den ganzen Tag lang in Erwartung der Surwakari. Abhängig davon, welcher Ring aus dem Wasserkessel als erstes herausgeholt wurde, als die Junggesellen ins Haus kamen, wusste man, welches Mädchen als erstes im neuen Jahr heiraten würde.
Wie in allen Ländern mit indo-europäischer Abstammung und Kultur, gibt es auch in Bulgarien Schembartläufer, die hierzulande Kukeri genannt werden. Dieser Brauch ist in allen Landesteilen verbreitet. Seit 1966 findet in der westbulgarischen Stadt Pernik bei Sofia ein internationales Festival statt, dass „Surva“ genannt wird. Seit 1985 ist das Festival international und wird heuer seine neueste Ausgabe erleben. Die UNESCO hat es in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Surva ist ein heidnischer Brauch, bei dem die Schembartläufer, ausnahmslos Männer, mit schrecklichen Masken das Böse vertreiben und Gesundheit und Wohl herbeirufen. Sie tragen meistens auch viele Glocken an ihrem Gürtel, deren ohrenbetäubender Klang ebenfalls das Böse vertreiben soll. Die Traditionen gehen weit in die Antike zurück. Man vermutet, dass hier Elemente antiker Junggesellenbräuche und altbulgarischer Folkloreelemente verflochten sind. Die steigende Popularität des Festivals ist übrigens ein Beweis dafür, dass die alte Tradition lebendiger denn je ist.
Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Archiv, BGNES
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