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Großteil der Bulgaren misstraut den Impfstoffen - weshalb?

Foto: BGNES

Jüngsten Informationen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten zufolge sind etwa 14 Prozent der Bulgaren vollständig gegen Covid-19 geimpft, fast 16 Prozent haben nur die Erstimpfung erhalten. Bildlich gesprochen ist unser Land auf halbem Impfwege (denn 35,7 Prozent der europäischen Bürger haben den Impfzyklus abgeschlossen). Interessanterweise ist die Zahl der Impfwilligen nicht nur unter bestimmten Gruppen der bulgarischen Gesellschaft gering, wie etwa der Roma-Bevölkerung, die traditionell eine schwache Gesundheitskultur hat, sondern sogar unter den bulgarischen Ärzten. Besonders besorgniserregend ist die Lage angesichts der sich in Europa zügig ausbreitenden Delta-Variante des Coronavirus, die weitaus ansteckender ist als die bisherigen.

Mitte Juni hat die Europäische Union die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides nach Bulgarien entsandt.  Sie appellierte an die Menschen, an die Impfstoffe zu glauben. Obwohl man in Bulgarien bei den Hausärzten, in Impfstellen, Einkaufszentren, Parks, mobilen Bussen usw. freien Zugang zu allen Impfstoffen hat, nimmt die Zahl der Impfwilligen in unserem Land ab. Selbst die Reisefreiheit und die Ausstellung eines europäischen Impfausweises steigern nicht das Interesse an der Impfung. Die Frage ist - warum? Die Antworten sind zahlreich und können nicht unter einen Nenner gebracht werden.


„Der bulgarische Staat ist für diese missliche Lage mitverantwortlich, begonnen bei den Problemen bei der Beschaffung von Impfstoffen“ , meinte der Sozialpsychologe Prof. Nikolaj Dimitrow. „Wir haben uns mit der Beschaffung der Impfstoffe verspätet, es gab Probleme mit der Strukturierung der Listen der Gruppen, die vorrangig geimpft werden sollten. Später haben die Impfstoffhersteller selbst die Lieferung zum Teil verzögert. Auf organisatorischer Ebene haben wir also Nachholbedarf, um das Niveau anderer Länder zu erreichen“, so Prof. Nikolaj Dimitrow.

Das Misstrauen in unserem Land den Impfstoffen gegenüber führt er auch auf die chaotischen Maßnahmen der Regierung während der Pandemie zurück. Die Bulgaren fassen im Prinzip nur schwer Vertrauen, insbesondere wenn es um ihre Gesundheit geht, meint Prof. Dimitrow. Und wenn man sich in einer Situation befindet, in der man Informationen braucht, diese aber nicht erhält, kann man keine fundierte Entscheidung treffen. In dieser Hinsicht ist die Rolle der Medien enorm, sollte aber nicht überschätzt werden, sagte Prof. Dimitroww. Seiner Meinung nach herrscht großes Misstrauen gegenüber den offiziellen Informationsquellen. Deshalb richten sich die Menschen in unserem Land sehr oft an informelle Informationskanäle, die vor Fake News, Verschwörungstheorien über „Chipping“ etc. regelrecht strotzen.


„Vor wenigen Tagen hat eine Kampagne für Gesundheitsmediation unter der Roma-Bevölkerung begonnen – ein äußerst sinnvoller Schritt. Ein solcher Ansatz wäre auch für den Rest der Bevölkerung sinnvoll.  Denn oft sind die Menschen, denen wir vertrauen, nicht jene, die im Fernsehen Interviews geben, sondern jene, denen wir täglich begegnen. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Bulgaren dazu neigen, die Verantwortung für die Dinge, die ihnen im Leben passieren, auf andere abzuwälzen. Das ist typisch für uns - wir wollen, dass „jemand anderes“ die Dinge für uns fixt. Die Regierung muss also das Vertrauen eines großen Teils der Bevölkerung gewinnen, indem sie ihre Aufklärungskampagne an jene richtet, die darauf warten, dass jemand anderes die Verantwortung für sie übernimmt, ohne ihm aber zu trauen“, so Prof. Nikolaj Dimitrow abschließend.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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