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Mythen und Irrtümer rund um das Leben und Werk von Wassil Lewski

Es hat acht Versuche gegeben, Wassil Lewski zu retten, behauptet der Historiker Janko Gotschew und räumt in seinem Buch „Die Ermordung von Wassil Lewski – Die Schuldigen“ mit einigen Mythen um die Persönlichkeit des Freiheitsapostels auf

Foto: museum-pz.com

„Wie viele Menschen in unserer Geschichte können als „Apostel“ bezeichnet werden?  Bulgarien ist heute ein von Konflikten zerrissenes Land. Das bulgarische Volk ist in allen denkbaren Fragen gespalten. Heute brauchen wir mehr denn je Einheit und es gibt nichts, was uns besser einen könnte als das Andenken an den Apostel“, sagte Kulturminister Najden Todorow bei der Vorstellung des nationalen Programms zum 150. Todestag von Wassil Lewski. Dennoch stellt der Freiheitsapostel immer noch ein Enigma dar. Und obwohl jeder Bulgare von klein auf mit den Fakten aus seinem 36-jährigen Leben vertraut ist, gibt es immer noch Details, die in der historischen „Arena“ für Kontroversen sorgen.

Eine der umstrittenen Fragen unter Historikern ist, ob es einen Prozess gegen Wassil Lewski gegeben hat, bevor er zum Tod durch den Strang verurteilt wurde oder nicht. In seinem Buch „Die Ermordung von Wassil Lewski - Die Schuldigen“ behauptet der Historiker Janko Gotachew, dass es keinen Prozess gegeben habe, da die Sonderermittlungskommission in Sofia kein Gericht war. Seine Recherchen tragen dazu bei, weitere Fakten und widersprüchliche Behauptungen im Zusammenhang mit der Persönlichkeit Wassil Lewskis, seinem Einfluss und seinen Taten für die Freiheit Bulgariens zu enträtseln.

„Es gab keinen Prozess, da die Mitglieder der außerordentlichen Regierungskommission, die im Dezember 1872 und Januar 1873 in Sofia tagte, selbst keine Juristen waren, mit Ausnahme von Iwancho Hadschipentschowitsch. Der Apostel wurde auch nicht vor ein Gericht gestellt, da es kein Strafprozessrecht gab, um über das Vorgehen der Mitglieder des revolutionären Komitees urteilen zu können“, betonte der Historiker. „Die von der osmanischen Regierung eingesetzte Kommission, deren Vorsitzender der georgische General Ali Said Pascha war, hat lediglich eine Befragung durchgeführt, die man nur bedingt als Untersuchung bezeichnen kann. Vielmehr handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren nach dem Strafgesetz des Osmanischen Reiches von 1858, nach dem die Kommission die Taten der Komitee-Aktivisten untersucht und dann 15 Protokolle erstellt hat, von denen uns nur 6 in türkischen Abschriften vorliegen, die Einzel- oder Gruppenstrafen enthalten.“

Der Mangel eines tatsächlichen Gerichtsprozesses lässt sich damit erklären, dass es im Osmanischen Reich kein funktionierendes Rechtssystem nach europäischem Vorbild gab. Seine Reformierung begann nach dem Krimkrieg (1853-1856), aber sie erfolgte nur schleppend und mühsam und von einem Strafverfahren, wie wir es heute kennen, konnte in den 1870er Jahren überhaupt nicht die Rede sein.

„Deshalb glaube ich, dass die von vielen Historikern vertretene These von einem Prozess gegen Lewski nicht ganz richtig ist“, erklärt Gotschew. „Sie versuchen, in modernen Begriffen zu sprechen und sie ins 19. Jahrhundert zu versetzen, was für einen Historiker unannehmbar ist.“

Bei seinen Recherchen stützt sich der Autor auf viele verfügbare historische Quellen, darunter Dokumente aus den Archiven der Nationalbibliothek, aus dem Zentralen staatlichen Geschichtsarchiv sowie auf alle in bulgarischer und russischer Sprache veröffentlichten Dokumente aus ausländischen Staatsarchiven.

Diese Recherchen von Janko Gotschew widerlegen auch eine andere gängige Spekulation, wonach das bulgarische Volk keinen Versuch unternommen habe, Wassil Lewski auf dem Weg zu seinem Tod zu retten. Die Wahrheit ist, dass es acht solcher Versuche gegeben hat.

„Der vielleicht berühmteste ist der von Atanas Usunow, der eine Freischar gebildet hat, um den Konvoi anzugreifen, falls der Apostel nach Konstantinopel gebracht werden sollte“, erläutert der Historiker. „Es ist eine Lüge, dass Wassil Lewski nur von zwei Wächtern begleitet wurde und dass die Bulgaren nichts unternommen hätten, um ihn zu befreien“, betonte Janko Gotschew.

Seinen Worten  zufolge „wurde gegen Ende 1872 und Anfang 1873 ein Versuch unternommen, ihn zu befreien. Damals begaben sich Abgesandte des Revolutionskomitees von Weliko Tarnowo nach Serbien. Das Ziel war, die dortigen Beziehungen der Revolutionäre Panajot Hitow und Ljuben Karawelow zu nutzen, die mit Hilfe der Regierung die Freilassung von Wassil Lewski erwirken sollten.“ Dazu ist aber nicht gekommen, weil Serbien seine eigenen Pläne hatte, die weder die Befreiung des bulgarischen Volkes noch die Vereinigung der Bulgaren innerhalb unserer ethnischen Grenzen vorsahen. Der höchste diplomatische Vertreter Russlands in Konstantinopel, Nikolaj Ignatiew, hatte aufgrund seines Einflusses als Doyen des diplomatischen Korps die Möglichkeit, Lewski zu retten. Ignatiew erließ jedoch unmittelbar nach dem Überfall auf Arabakonak eine andere Verfügung. Aus dem erhaltenen Dokument ist ersichtlich, dass nur die Rettung jener Revolutionäre vorgesehen war, die zur russischen Agentur gehörten, nicht aber die Rettung von Lewski selbst.

Bis heute gibt es in der bulgarischen Geschichtsschreibung immer noch weiße Flecken bezüglich der Konflikte Lewskis mit der russischen imperialen Politik und den Versuchen, ihn anzuwerben. Informationen über diese Konflikte und seine entschiedene Weigerung zur Zusammenarbeit liegen vor und müssen nur untersucht werden, meint der Historiker Janko Gotschew.

Diese Veröffentlichung erfolgt im Rahmen eines Projekts, das mit der finanziellen Unterstützung des Kulturministeriums im Rahmen des Nationalen Programms zum Gedenken an den 150. Todestag von Wassil Lewski realisiert wurde.

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: museum-pz.com




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