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„Briefe aus dem Krieg“ an Bulgarien

Tetjana Stanewa: Betrachten Sie den Krieg in der Ukraine nicht als Show hinter Glas, er betrifft uns alle

Foto: FB / Tetiana Staneva

Es ist fast zwei Jahre vergangen seit jenem Februarmorgen 2022, der das Leben der Menschen in Europa und darüber hinaus verändert hat. Die Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, die bereits 2014 begann, veranlasste die Politiker, eine Reihe von Sicherheitsfaktoren zu überdenken und massiv in die Verteidigungsfähigkeiten der Länder zu investieren. Die Prognosen der Analysten über anhaltende Militäraktionen auf dem Territorium der Ukraine nach dem Angriff Russlands am 24. Februar 2022 waren berechtigt.

Nach Angaben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurden Ende 2023 mehr als 10.000 Zivilisten in der Ukraine getötet und über 18.680 verletzt. Fast die Hälfte der Opfer befanden sich weit hinter der Front. Laut Eurostat sind 4,2 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine für vorübergehenden Schutz oder mit einem ähnlichen Status in der EU registriert. Im Einklang mit der Entscheidung der Europäischen Kommission hat die bulgarische Regierung am 4. März dieses Jahres beschlossen, die Gültigkeit des vorübergehenden Schutzes der sich auf dem Territorium Bulgariens aufhaltenden ukrainischen Flüchtlinge sowie die dazugehörigen Hilfsprogramme um ein weiteres Jahr zu verlängern 

Der bulgarische Militärfernsehsender, der zum Informationszentrum des Verteidigungsministeriums gehört, bereitet eine spezielle Dokumentarfilmreihe vor, die dem zweiten Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine gewidmet ist. Das Projekt heißt „Briefe aus dem Krieg“ und seine erste Folge, „Der Puls der Ukraine“, ist bereits fertig. Drehbuchautorin und Regisseurin ist die bessarabische Bulgarin Tetjana Stanewa, die bereits Material für die Folgeserien gesammelt hat. Doch wie fing alles an, wollten wir von ihr wissen.


„Das Verteidigungsministerium hat mich zunächst um Rat gefragt, da zum Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine ein Film gedreht werden sollte, aber man wusste nicht wie“, erzählt Tеtjana in einem Telefoninterview für Radio Bulgarien. „Zunächst habe ich nur Ratschläge erteilt. Dann aber kam das Angebot, dass ich diesen Film selbst drehen sollte. Ich hatte einen Plan und die Idee war zunächst eine Filmlänge von 26 Minuten. Letztendlich haben wir den Film auf 52 Minuten verlängert, damit alle Geschichten erzählt werden können.“

Die aktuelle Serie ist für Tetjana nicht der erste Schritt beim Film. Sie ist langjährige Drehbuchautorin und Regisseurin sowie Leiterin des Internationalen Ethnographischen Filmfestivals OKO, auf dem sie letztes Jahr den Dokumentarfilm „Leben am Rande“ präsentierte, der von Freiwilligen an der Front gedreht wurde. Ihrer Meinung nach enden die Ähnlichkeiten mit „Der Puls der Ukraine“ damit, dass in beiden Fällen der Autor die Kamera auf sich selbst richtet.

Tetjana Stanewa mit dem Fotografen Olexadr Baron (l.) und Kameramann Borislaw Wassilew
„Jetzt zeige ich durch mich selbst die Helden, die ich treffe - Freunde, die gestorben sind, die an die Front gehen oder gerade dort sind. Auch die Zeit ist eine andere. Der Streifen „Leben am Rande“ handelt von den Jahren zwischen 2014 und 2022, jetzt zeige ich, was danach passiert, erklärt die Drehbuchautorin Tetjana Stanewa.

„In den anderen Teilen will ich zum ersten Kriegstag zurückzukehren, um zu zeigen, wie alles begann. Alle waren in Panik. Jetzt haben wir uns daran gewöhnt und reagieren anders, wenn die Warnung für einen Luftangriff ertönt. Natürlich ist es etwas Außergewöhnliches, aber die Menschen schaffen es, sich anzupassen. Die Theater, Geschäfte und Supermärkte funktionieren wieder. Das war in den ersten Kriegsmonaten nicht so. Die Menschen begannen erst nach der Befreiung der Region Kiew in die Hauptstadt zurückzukehren. Kiew erwachte erst im Mai 2022 wieder zum Leben. Unsere Idee ist es, den Zuschauern zu zeigen, wie das reale Leben läuft.“

Mit der Reihe "Briefe aus dem Krieg" möchte Tetjana eine Botschaft an die Bulgaren senden, die den Krieg in der Ukraine immer noch als ein zwischenstaatliches Problem betrachten, das Europa und die Welt nicht zu betreffen scheint.

"Man kann nicht am Rande stehen und das, was in der Ukraine passiert, als eine Show hinter Glas betrachten. Ich möchte den Bulgaren, die kämpfen oder ihr ziviles Leben leben, zeigen, dass es niemanden interessiert, was mit der bulgarischen Diaspora in der Ukraine geschieht, wie der Krieg uns betrifft. Die Bulgaren in der Ukraine sind eine Brücke zwischen den beiden Ländern, also kann der Krieg dort nicht etwas Fernes sein, das uns nicht betrifft."

Mit ihrer Doku-Reihe „Briefe aus dem Krieg“ möchte Tatjana eine Botschaft an die Bulgaren senden, die den Krieg in der Ukraine immer noch als ein zwischenstaatliches Problem betrachten, das Europa und die Welt scheinbar nicht betrifft. „Man kann nicht abseits stehen und zusehen, was in der Ukraine passiert, als eine Art Show hinter Glas. Die Menschen sollten verstehen, dass es sie direkt betrifft, ist Tatjana kategorisch. Indem ich Bulgaren zeige, die im Krieg kämpfen oder ihr ziviles Leben führen, möchte ich fragen, ob sich jemand dafür interessiert, was mit der bulgarischen Diaspora in der Ukraine passiert und wie sich der Krieg auf uns auswirkt? Die Bulgaren in der Ukraine sind eine Brücke zwischen unseren beiden Ländern, daher kann der Krieg dort nicht etwas Fernes sein, das uns nichts angeht.“

Lesen Sie auch: Ukraine-Krieg

Übersetzung: Tichomira Krastewa

Redaktion: Georgetta Janewa



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