Ein Mädchen nimmt im Bus Platz und beginnt ein Buch zu lesen, auf dessen Titelseite ein provokatives Frauenfoto prangt. Ein älterer Herr betrachtet das Buchcover, ohne den Titel zu kennen, obwohl es sich dabei um ein Werk der klassischen Literatur handelt. Und so bildet er sich eine negative Meinung über die jungen Leute, selbst wenn sie ein Buch in den Händen halten. Eine solche Begebenheit schildert Edi Rumjan in seiner Erzählung „Im Bus“, mit der er sich an der diesjährigen Ausgabe des Festivals „Sofia atmet“ beteiligt hat. Im Rahmen dieses Festivals können Jungautoren mit originellem Denken auf interessierte Verleger treffen. Durch Crossreading erhalten Autoren und Publikum die Chance, sich auszutauschen und sich gegenseitig kennenzulernen.
Für Edi Rumjan ist jede Begegnung mit dem Publikum sehr kostbar. Heutzutage könne jeder von sich behaupten, Schriftsteller zu sein, sobald er einen eigenen Blog habe, meint er. Der Autor vom Klub „Schriftsteller ohne Bücher“ ist sehr stolz auf sein Auditorium aus zufälligen Besuchern, die sich mit angehaltenem Atem seine erfundene Geschichte angehört haben.
„Im Publikum waren Leute jeden Alters“, erzählt Edi Rumjan. „Meine Geschichte spricht vor allem die ältere Generation an, da sie Bezüge zur Zeit vor der Wende 1989 schafft und darin auch Namen von Menschen vorkommen, die die jungen Leute nicht kennen. Deshalb stelle ich sie mit ein paar erläuternden Worten vor. Meine fiktive Heldin Lidia ist eine Gestalt aus einem Roman von Charles Bukowski. Reale Helden sind aber der Übersetzer Bogdan Russew, der diesen Roman ins Bulgarische übersetzt hat und der Politiker Jordan Jotow, der vor 1989 Sekretär des Zentralkomitees der kommunistischen Partei BKP war. Auf diesen drei Namen stützt sich das Sujet meiner Erzählung. Das Experiment ist meiner Meinung nach gelungen. Das ist meine erste Geschichte mit realen Menschen als Literaturhelden. Aber ich hatte von Anfang an die Absicht, etwas Groteskes und Absurdes zu schreiben, das unsere Gegenwart und unsere Gesellschaft reflektiert“, meint der Autor.
Zu den Top-Ten der Autoren und Bücher, die Edi Rumjan im Laufe der Jahre geprägt haben, gehören Friedrich Dürrenmatt und sein Roman „Justiz“. Bevor man zum Stift greift, sollte man selbst viel gelesen haben, ist der Nachwuchsschriftsteller überzeugt:
„Die Leute sollten vor allem lesen und zwar nicht, um damit zu paradieren und vor Freunden anzugeben“, meint Edi Rumjan. „Wenn du liest, kommst du mit unterschiedlichen Weltanschauungen in Berührung. Es kann sein, dass dir das eine oder andere Buch nicht besonders zusagt. Das hat aber nicht zu bedeuten, das Buch sei schlecht, sondern lediglich, dass sein Autor das Leben aus einer anderen Perspektive betrachtet als du selbst. Deshalb sollten wir zu den unterschiedlichsten Büchern greifen, dabei aber selbst entscheiden und uns nicht etwa von dem Argument leiten lassen, dass diese Titel momentan im Trend sind. Heutzutage wird viel paradiert, auch wenn es ums Lesen geht. Man sollte aber mit dem Herzen entscheiden, was man lesen möchte, anstatt zu versuchen, so sein Image aufzupolieren. Lesen wird Kindern von ihren Eltern anerzogen und vorgelebt, danach kommt auch die Rolle der Schule. Schreiben und Lesen gehen Hand in Hand, schließlich gibt es kaum jemanden, der nicht seine Gedanken in der Schule zu Papier bringen musste. Allerdings gibt es keine Schule, in der man lernen kann, wie man Schriftsteller wird. Jede äußere Einmischung würde das Geschriebene verfälschen und vom Publikum sofort erkannt werden“, sagt abschließend der Nachwuchsschriftsteller Edi Rumjan.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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