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Landwirtschaft schrumpft: 90 Prozent des Obsts und Gemüses in Bulgarien wird importiert

Foto: БГНЕС

Nahezu 90 Prozent des Obsts und Gemüses, das die Bulgaren verzehren, wird eingeführt, während die heimische Produktion fast vollständig vernichtet worden ist. Das zumindest behauptet Tschawdar Marinow, Geschäftsführer des Dachverbandes der Vereinigungen der Obst- und Gemüseproduzenten Bulgariens, und die Statistik untermauert es: In den ersten 10 Monaten des vergangenen Jahres ist der Import von Gemüse um 11,7 Prozent auf 226.700 Tonnen gestiegen; beim Obst betrug der Anstieg 9,4 Prozent, importiert wurden 255.300 Tonnen.

Gleichzeitig damit wurde ein 2prozentiger Rückgang des Absatzes von landwirtschaftlichen Erzeugnissen registriert. Dabei erhielten die Landwirte im vergangenen Jahr Zuschüsse in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Die Hälfte davon stammt aus der Europäischen Union, die andere Hälfte kam aus dem Staatshaushalt, wie Landwirtschaftsminister Rumen Poroschanow erklärte.

Offensichtlich befindet sich die bulgarische Landwirtschaft in einem lädierten Zustand, was alle Bürger des Landes zu spüren bekommen, wenn sie Nahrungsmittel einkaufen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Bulgarien, wie Obst und Gemüse, Fleisch, Eier, Milchprodukte u.a. sind zur Rarität geworden. Das Gros stammt aus dem Import aus der Türkei, Griechenland, Polen, Serbien und Nordmazedonien. Die bulgarische Landwirtschaft erwirtschaftet lediglich 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes und das mit sinkender Tendenz. Noch vor 30 Jahren versorgte Bulgarien alle Ostblockstatten mit Nahrungsmitteln. Nach der Wende zur Demokratie wurden in der Landwirtschaft Reformen eingeleitet, die leider nicht die erwarteten positiven Ergebnisse zeitigten. Die Rückgabe des landwirtschaftlichen Grund- und Bodens an die Alteigentümer bzw. deren Erben führte zur Zerstückelung der Agrarflächen, so dass die neuentstandenen Farmen lediglich über rund einen Hektar verfügten. Dieser reicht kaum aus, um eine Familie zu ernähren, geschweige denn auf dem Markt konkurrenzfähig zu sein, sei es national oder international. Es setzte eine Landflucht ein; vor allem die jungen Menschen verließen die Dörfer, in denen fast nur noch Greise leben.

Einzig der Getreideanbau schaffte es in gewisser Weise; dort gibt es mittlerweile moderne mittelgroße landwirtschaftliche Unternehmen, die Getreide ausführen. Die Herstellung ätherischer Öle, vor allem aus Rosen und Lavendel, erwies sich ebenfalls als ein erfolgreiches Unterfangen – Bulgarien hat sich zu einem der weltweit größten Anbieter auf diesem Gebiet etabliert. Ferner sind wir der EU-weit größte Hersteller von Gewürzen und Kräutern. Laut Angaben von Eurostat hat Bulgarien im Jahre 2017 insgesamt 81.000 Tonnen aromatischer und Heilpflanzen sowie Gewürze produziert.

Die Landwirtschaft blickt auf lange Traditionen in Bulgarien zurück, das noch vor wenigen Jahrzehnten als ein Agrarland eingestuft wurde. Heute ist es jedoch nicht mehr so. Weder die überaus günstigen natürlichen Bedingungen, wie Klima und Böden, noch die Finanzspritzen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU konnten real zur Entfaltung der Landwirtschaft in Bulgarien beitragen. Die verringerte Produktion und der entsprechend schwache Absatz haben zu einem Rückgang der Einkommen der Landwirte geführt. Laut dem Nationalen Statistikamt sind im vergangenen Jahr ihre Einkommen um 14,8 Prozent gesunken, während sie in den anderen Wirtschaftszweigen um etwas mehr als 7 Prozent gestiegen sind. Das verscheucht nicht nur die Investoren, sondern auch die Arbeitskräfte. Die Landwirtschaft arbeitet unrentabel und erbringt nicht den nötigen Mehrwert. Zudem bleiben alle Anzeichen einer positiven Wende aus. Die Bio-Landwirtschaft ist nach wie vor Exotik und macht lediglich 5 Prozent des gesamten Zweiges aus. Im Endeffekt verbrauchen die Bulgaren zunehmend mehr Obst und Gemüse, Milcherzeugnisse und Fleisch aus dem Import und erinnern sich mit einem Seufzer daran, wie schmackhaft die heimischen Produkte waren, die sie noch vor wenigen Jahrzehnten gekauft haben.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: BGNES



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