Es gibt Geschichten, die inspirierend und schön erscheinen, aber in einem Wortsumpf verstrickt sind. Und es gibt andere – wirklich inspirierend und schön, die sich vor unserem geistigen Auge mit der Leichtigkeit eines Vogels in die Lüfte schwingen. Die Geschichten von Sdrawka Ewtimowa gleiten auf ausgebreiteten Schwingen, berühren unsere Herzen, modulieren mit ihrem zarten Hauch unsere Stimmungen und Gefühle, rufen Erinnerungen und Träume wach.
„Juli-Erzählungen“ von Sdrawka Ewtimowa war das von den Lesern der Sofioter Stadtbibliothek am häufigsten ausgeliehene Buch im Jahr 2019.
Die Erzählungen und Romane von Sdrawka Ewtimowa erfreuen sich in vieler Herren Länder zahlreicher Leser und Auszeichnungen, darunter in den USA, Großbritannien, Kanada, Frankreich, Griechenland, Israel und seit kurzem auch in China. Die Autorin bezeichnet sich scherzhaft als „Zug-Schriftstellerin“, weil viele ihrer Stories entstanden sind, während sie im Zug zwischen Pernik und Sofia hin- und herpendelt, zwischen ihrem Wohnsitz und ihrem Arbeitsplatz als Englisch-Übersetzerin. Egal wovon ihre Werke aber auch handeln, betören sie uns mit drei Komponenten, die ihnen allen gemeinsam sind – Güte, Anteilnahme und Liebe.
„Die Güte ist Teil unseres inneren Ichs“, ist die Autorin überzeugt. „Und sobald man den Menschen seine gute Seite zukehrt, weckt man das Gute in ihnen. Der Anteilnahme und Liebe wiederum hat die Menschheit zu verdanken, dass sie es schafft zu überleben und sich weiter zu entwickeln ungeachtet aller Gier, Böswilligkeit und sonstiger negativer Emotionen. Erinnern Sie sich nur, wie die Menschen in den Konzentrationslagern, wenn sie ein Stückchen Apfel fanden, es mit einem Kranken geteilt haben.“
Leid kann aber auch zu Niedertracht und Grausamkeit führen. Wie in der Erzählung „Maulwurfsblut“, die mit viel Trauer im Herzen geschrieben wurde und mittlerweile an den Schulen in Dänemark und den USA unterrichtet wird.
„Wenn etwas in Trauer geboren wurde, trägt es zweifellos diese Trauer in sich und diese färbt auf die Mitmenschen ab“, sagt Sdrawka Ewtimowa. „Trauer existiert tatsächlich in unserem Leben. Von uns selbst hängt es aber ab, ob wir es zulassen, dass sie zum Dauerzustand mutiert oder ob wir sie mit unserem Handeln, Denken und Erleben in etwas Lichtes umwandeln. Damit aus diesem Licht Freude geboren wird.“
Und sich in Glück verwandelt. „Schreiben ist ein Zustand glücklicher Einsamkeit. Wenn ich nicht schreibe, fühle ich mich wie krank“, sagt Sdrawka Ewtimowa und weiter:
„Wenn ich auf meiner Muttersprache schreibe, habe ich das Gefühl, als hätte ich die bulgarische Geschichte hinter meinem Rücken – die Zeit des Ersten und des Zweiten Bulgarenreiches, des Ruhmes, aber auch des tragischen Schicksals der geblendeten Soldaten von Zar Samuil, des Blutes, das unsere Vorfahren vergossen haben. Und ohne dass ich das bezwecke, spiegeln die Worte auch die Freude, das Tragische und den Schmerz wieder. Beim Englischen ist dem nicht so – es fehlt das Gefühl der Freude, das Gefühl als würde man fliegen, als würde man nicht existieren, während man schreibt.“
Jahresklassierungen für Literatur sorgen in der Regel dafür, dass man Bilanz zieht. Sie bewegen uns auch dazu, uns Gedanken darüber zu machen, ob wir öfter lesen und wie sich unsere Gesellschaft verwandeln würde, sollte jeder von uns täglich zu einem Buch greifen, um in eine Geschichte zu tauchen und vollkommen darin aufzugehen.
„Der lesende Mensch ist nicht nur schön, sondern er gewinnt auch an Mut, Stolz und Würde“, meint die Schriftstellerin. „Gute Literatur ist eine Lektion in Würde und Ehre. Der lesende Mensch ist zudem auch ein entschlossener Mensch, der nicht manipuliert und nicht gezwungen werden kann, sein Haupt zu senken wie ein Sklave.“
Zu Jahresbeginn äußern wir traditionsgemäß gegenseitige Wünsche. Wie würde Sdrawka Ewtimowa die Bulgaren auf dem Weg ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gern sehen und in einer künftigen Erzählung oder einem Roman schildern wollen?
„Ich würde mir wünschen, dass wir den Glaubenssatz vergessen, ein gesenktes Haupt würde vom Schwert verschont. Ich würde mir wünschen, dass wir unsere Köpfe nicht devot senken und uns nicht fürchten, anderen offen ins Gesicht zu schauen und frei heraus unsere Meinung zu sagen. Das gesenkte Haupt mag zwar verschont werden, aber das ist kein Leben, sondern Sklaverei. Wir Bulgaren leben nicht mehr unter einem Joch, weshalb es an der Zeit ist, unsere Kräfte darauf zu richten, etwas Powervolles und Beeindruckendes zu erschaffen, was die Menschen in anderen Ländern dazu bewegt, uns zu bewundern. Ich bin überzeugt, dass wir das Zeug dazu haben.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: BGNES, PrivatarchivWie sah Sofia in den 1970er Jahren aus? Diese Frage beantwortet die Fotoausstellung „Station Sofia '70 “ mit Archivaufnahmen des berühmten bulgarischen Fotografen Panajot Barnew. Die Ausstellung wird am 3. September in der Galerie „Dot Sofia“..
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