Man braucht nicht Tausende Kilometer zurückzulegen, um für die ganze Christenheit heilige Stätten besuchen und aus der Quelle orthodoxen christlichen Glaubens schöpfen zu können. In Bulgarien gibt es Hunderte an Kirchen und Klöstern, die im Zeichen des Glaubens und der Hoffnung auf Frieden und Eingebung errichtet worden sind. Ein unversiegbarer Quell des Glaubens, der bereits seit fast 17 Jahrhunderten die Pilger in seinen Bann zieht, ist das Kloster von Tschirpan. Geweiht ist es dem heiligen Athanasius dem Großem, Patriarch von Alexandrien.
Aus seiner Vita ist bekannt, dass er persönlich dieses Kloster im Jahre 344 gegründet hat. Das geschah während seines Aufenthaltes auf heute bulgarischem Boden, als er zum ökumenischen Konzil 343/344 nach dem damaligen Serdika (heute Sofia) reiste. In dem Dokument wird berichtet, dass Athanasius in der Stadt Beroe, der heutigen Stara Sagora, eine Rast einlegte und das Kloster gründete. Auch andere Quellen erzählen von diesem Ereignis. Sie berichten, dass der Heilige in Beroe abgestiegen sei, um Bücher für den Kirchengebrauch zu bringen. Eigentlich habe er nicht vorgehabt, eine Ruhepause einzulegen, doch plötzlich verspürte er eine Energie, die den Glauben stärkt. Das habe den Heiligen zu einer Rast verleitet und an diesem Ort zu beten.
Die Beschaulichkeit des Ortes lädt bis heute die Pilger aus dem In- und Ausland zum Verweilen ein. Historiker gehen davon aus, dass es eines der ältesten Klöster in ganz Europa sei. Der Ort war zudem für die Pilger strategisch. Er liegt auf der Route Konstantinopel-Serdika, während sich oberhalb des Klosters eine große römische Festung erhob. Ihre Überreste sind auch heute noch gut zu erkennen. Ganz in der Nähe befand sich ein thrakisches Nymphäum - ein Heiligtum des Nymphenkults. Athanasius verwandelte es kurzerhand in ein christliches Quellheiligtum. Das aus der Quelle sprudelnde Wasser gilt bis heute als heilbringend.
18. Januar – Kirchenfest des Klosters von Tschirpan
Am Tag des heiligen Athanasius am 18. Januar scharen sich die Gläubigen im Hof des Klosters. Die Gäste werden von Vater Boris empfangen, der als Priester am heutigen Frauen-Kloster tätig ist. Er erzählt ihnen gern die Geschichte der heiligen Stätte, wie auch so manch interessante Legende. So z.B. zeigt er den Besuchern eine Stelle – ein Durchgang durch einen Felsen, in den sich der heilige Athanasius zum Gebet zurückgezogen haben soll. Dort habe er mit Gott gesprochen, heißt es in den Überlieferungen. „Man ist der Überzeugung, dass allein das Durchschreiten dieses Felsgangs Gesundheit beschert. Auch kann jeder prüfen, inwieweit er sündig ist“, erzählte uns Nancy Marinowa, leitende Direktorin des Geschichtsmuseums von Tschirpan.
„Laut einer Überlieferung würde sich der Spalt im Felsen schließen, falls ein Mensch mit vielen Sünden hindurch will. Bisher ist das noch nicht passiert, woraus geschlossen werden kann, dass die Bulgaren im Endeffekt doch gute und gläubige Menschen sind.
Das Kloster ist vielbesucht, auch wegen der Naturschönheiten in der Umgebung. Für die Gläubigen ist vor allem eine Ikone des heiligen Athanasius sehr interessant, die in der Kirche bewahrt wird. Sie wurde dem Kloster im Jahre 2003 vom Patriarchen von Alexandrien Petros VII. geschenkt. Ihr werden Wunderkräfte nachgesagt. Der Ort ist besonders auch wegen dieser vielen Erzählungen interessant.“
Das Kloster von Tschirpan besitzt einige seltene Dinge, wie z.B. eine Abschrift des Evangelistars von Reims.
Das Original – eine reich illustrierte zweiteilige Handschrift in kirchenslawischer Sprache aus dem Jahre 1395, verfasst in Glagolitischer und Kyrillischer Schrift, befindet sich heute in der Bibliothek der französischen Stadt Reims. „Die einzige Abschrift dieses wertvollen Werkes wird jedoch im Kloster von Tschirpan aufbewahrt“, präzisiert Nancy Marinowa und fährt fort:
„Die Abschrift gelangte Anfang des 20. Jahrhunderts nach Bulgarien. Eine Gruppe Bulgaren, die sich in Frankreich aufhielten, erkannten den Wert dieses Werkes für ihre Heimat und ließen eine Abschrift anfertigen, die sie dem Kloster schenkten. Das Evangelistar steht nicht nur mit Bulgarien in Verbindung, sondern auch mit Frankreich, denn die französischen Könige haben ihren Krönungseid auf diesem Evangelistar geleistet – ohne jedoch zu wissen, worum es sich genau handelt, denn das Buch ist in Kirchenslawisch abgefasst. Offensichtlich hat die reiche Ausschmückung bereits damals die Menschen beeindruckt und sie haben es für würdig gefunden, dass es für ein solch wichtiges Ritual verwendet wird.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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