Das neugewählte Parlament nimmt heute, Freitag, den 3. Dezember, offiziell seine Arbeit auf. Unter den 240 Abgeordneten der 47. Volksversammlung stechen viele neue Personen heraus, die wenig oder keine parlamentarische Erfahrung besitzen. Ihre beruflichen Biografien zeugen von ihrer Erfahrung als Anwälte, Wirtschaftsexperten, IT-Spezialisten, Fachleute auf dem Gebiet der Kryptowährungen und andere. Inwiefern wird die fehlende Routine bei der Steuerung der Prozesse im Land ihnen helfen oder sie behindern?
„Wenn auch nicht sofort, wird sich ihre Präsenz in der bulgarischen Politik positiv auswirken“, sagte der Politologe Antoni Gerassimow. Wichtig sei, dass die neuen Abgeordneten realistisch einschätzen können, ob sie damit umgehen können:
„Das wird schwierig, denn die Auseinandersetzung mit der politischen Realität im Inneren kann als „Kulturschock“ eingestuft werden“, ist Gerassimow überzeugt. „Das Parlament im Fernsehen zu verfolgen ist eine Sache und eine ganz andere, dabei zu sein. Ich glaube jedoch, dass die Teams hinter diesen Leuten in der Lage sein werden, sie darauf vorzubereiten. Kein ernsthafter Politiker erwartet, dass er alles alleine machen kann, daher ist es wichtig, welche Experten er zu seinen Mitarbeitern wählt.“
Das Auftauchen neuer Gesichter definiert der Politologe als frischen Wind und Impuls zur Änderung des aktuellen Modells und der volkstümlichen Wahrnehmung der Bulgaren, dass „alle Politiker Gauner sind“.
Das neue Parlament wird sich aus Vertretern von sieben politischen Kräften zusammensetzen. Laut Staatspräsident Rumen Radew stünden vor den Abgeordneten in erster Zeit zwei dringende Aufgaben: die Nominierung einer Regierung auf der Grundlage einer stabilen parlamentarischen Mehrheit und die Verabschiedung des Staatshaushalts für 2022. Antoni Gerassimow ist überzeugt, dass ernsthaft versucht wird, eine Regierung aufzustellen, es gebe aber einige Vorbehalte:
„Ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass sich eine Führungsstruktur aufbauen lässt, die 4 Jahre hält. Falls keine Regierung gebildet werden sollte, werden sich die Krisen, in denen wir uns befinden, noch weiter vertiefen. Sicherlich werden die Bürger zunehmend weniger motivierter sein, den Urnengang anzutreten. Das wird zu Lasten der Demokratie gehen. Die Art und Weise, wie die Verhandlungen derzeit geführt werden, könnte jedoch ein Ansporn sein, die Partei, die sie initiiert hat, ernsthafter zu unterstützen.“
Der Wunsch, zur Wiedergewinnung des öffentlichen Vertrauens in das Parlament als Institution beizutragen, veranlasste Antoni Gerassimow, sich an der Schaffung einer Internetplattform zu beteiligen, die den Bürgern helfen soll, das Verhalten der von ihnen gewählten Abgeordneten und die Parteipolitik im Plenarsaal besser verfolgen zu können.
„Ein Großteil des Misstrauens in die Institutionen rührt nicht von ihrer Struktur her, sondern von den Menschen, die ein Teil dieser Institutionen sind. Dieses Misstrauen ist zum einen auf den Mangel an ausreichend öffentlich zugänglichen Informationen über die Arbeit des Parlaments zurückzuführen. Zum anderen basiert das Misstrauen auf der Unfähigkeit der Medien, der Öffentlichkeit alles zu präsentieren, was auf den Korridoren der Macht passiert.“
Um die Plattform nutzen zu können, brauchen sich die Bürger nicht zu registrieren. Die Plattform enthält u.a. eine detaillierte Zusammenfassung der Arbeit der 7 bisherigen Parlamente unseres Lands von 2001 bis heute. Einsehbar ist auch ein Archiv mit den Stenogrammen der durchgeführten Sitzungen und Abstimmungen zu den einzelnen Gesetzesentwürfen. Das Projekt wird nun auf die Arbeit der 47. Volksversammlung ausgedehnt.
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