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35 Prozent der Bulgaren sind Working Poors

Inflation übersteigt weiterhin das Einkommenswachstum

Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts sollte die Gewährung und Finanzierung von Sozialdienstleistungen nachhaltig geregelt werden

Foto: BGNES

Soziale Ungleichheit und Inflation zählen zu den wichtigsten Problemen in der Einkommenspolitik unseres Landes. Und während die Inflation für ganz Europa ein Problem darstellt, das durch externe Faktoren wie den Krieg in der Ukraine, den Energiepreisen usw. ausgelöst wurde, ist die zu große Schere zwischen Arm und Reich in Bulgarien schon seit Jahren ein Problem.

„In unserem Land sind 35 Prozent unserer Landsleute arbeitende Arme, die den Mindestlohn (710 Lewa) erhalten. Es gibt jedoch keinen steuerfreien Mindestbetrag, so dass Erwerbstätige von besagten 710 Lewa nur 550 Lewa erhalten. Vor diesem Hintergrund beträgt die Inflationsrate nach Angaben des Nationalen Statistikamtes 17,3 Prozent auf Jahresbasis, das Einkommenswachstum beträgt aber nur 7,7 Prozent und bleibt somit deutlich hinter dem Inflationswachstum zurück“, erklärte die Wirtschaftswissenschaftlerin Mika Sajkowa in einem Interview für den BNR.

„Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir die Armutsgrenze anheben. Wir dürfen sie nicht näher an die Löhne heranführen, denn das würde sich negativ auf die Menschen auswirken, die den Mindestlohn erhalten. Sie werden den Anreiz verlieren, sich eine besser bezahlte Arbeit zu suchen und ihre Kompetenzen zu verbessern“, sagte Zwetan Simeonow, Vorstandsvorsitzender der Bulgarischen Industrie- und Handelskammer.

Eine zwischen dem 19. und 29. Juli 2022 durchgeführte Umfrage der Bulgarischen Industrie- und Handelskammer belegt, dass es einigen Arbeitgebern trotz Inflation und steigender Kosten gelingt, ihr Personal zu halten.

„Ein großer Teil der Arbeitgeber hat versucht, einen Ausgleich für die Inflation zu schaffen, aber nur ein sehr kleiner Teil hat es geschafft, die Inflation zu überbieten. Ihre Bemühungen, ihre Arbeitnehmer zu halten, haben sie jedoch dazu veranlasst, zusätzliche materielle Anreize zu schaffen, die in etwa dem Stand der Inflation gleichkommen.“

Und das sind die größten Sorgen der Arbeitgeber in der gegenwärtigen Lage:

„An erster Stelle ist es die Unmöglichkeit, den Produktionsprozess langfristig zu planen, weil sich die Preise für Energie und Rohstoffe ständig ändern“, sagte Simeonow. „Und es bleibt die Sorge, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.“

Welche sind die möglichen Maßnahmen, um die zunehmenden Einkommensunterschiede zwischen den Menschen zu begrenzen?

Diese Frage steht im Mittelpunkt des vom Institut für Marktwirtschaft  durchgeführten Projekts „Verringerung von Armut und Chancenungleichheit durch Reformen bei Sozialtransfers und Sozialdienstleistungen“. Es wird im September enden, aber aus den durchgeführten Studien gibt es bereits konkrete Schlussfolgerungen:

„Wenn wir über soziale Dienstleistungen sprechen, müssen wir wissen, dass die dafür vom Staat bereitgestellten Mittel etwa 1 Milliarde Lewa betragen. Das Ergebnis dieser Ausgaben wird den Empfängern in Form von Sachleistungen zur Verfügung gestellt. Es gibt mehr als zehn Arten von Sozialdienstleistungen, die jedoch auf vier verschiedene Arten finanziert werden: über den Staatshaushalt, als delegierte Tätigkeit, über den Gemeindehaushalt oder über europäische Projekte“, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Petar Ganew.

Nach Ansicht der Wirtschaftswissenschaftlerin Mika Sajkowa wird die Inflation durch eine falsche Steuerpolitik und eine falsche Politik in Bezug auf sogenannte „Maßnahmen“ und Beihilfen noch zusätzlich begünstigt. Ihrer Meinung nach sind übergreifende Sozialleistungen kontraproduktiv - für jegliche Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung. In diesem Zusammenhang fordert das Institut für Marktforschung, dass die Sozialleistungen stärker auf die Bedürftigen ausgerichtet werden sollten. Auch die Organisation und Finanzierung der sozialen Dienste müsse geändert werden, so Petar Ganew:

„Wir müssen einen Weg finden, all diese sozialen Dienste unter einen Hut zu bringen. Es ist notwendig, eine Schnittstelle zwischen den Gemeinden und den Regionalen Sozialhilfedirektionen zu schaffen, damit Menschen, die soziale Dienstleistungen benötigen, die für sie am besten geeigneten erhalten. Es ist notwendig, die vier Arten der Finanzierung für dieselben Dienstleistungen, aber aus verschiedenen Sparten, zu beenden“, so Petar Ganew abschließend.

Zusammengestellt von: Joan Kolev

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: BGNES, Pixabay



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