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Die Bulgaren machen Überstunden, bleiben aber aufgrund der niedrigen Löhne die Ärmsten in Europa

Foto: Pixabay

Die größte bulgarische Gewerkschaft – die Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften Bulgariens (KNSB), die rund 300.000 Mitglieder zählt, hat ihre Kräfte mobilisiert und eine Protestkampagne gestartet mit der Forderung an den Staat, den Haushalt um 70 Millionen Euro aufzustocken. Das Ziel ist, die Einkommen der Menschen zu schützen, damit sie mindestens in Höhe des Inflationsanstiegs entschädigt werden. Laut einer Gewerkschaftsumfrage geben 80 Prozent der Arbeitnehmer in Bulgarien an, dass ihre Gehälter zwar angehoben wurden, aber nur um 5 bis 15 Prozent, während die Inflation derzeit bei über 18 Prozent liegt. Das bedroht extrem den Lebensstandard der Menschen und zwingt sie dazu, ihren Konsum tagtäglich einzuschränken.

Zwei Wochen vor den nächsten Parlamentswahlen haben KNSB-Präsident Plamen Dimitrow und andere Gewerkschaftsführer eine Reihe von Treffen mit Leadern der politischen Parteien organisiert, die die größte Chance haben, ins nächste Parlament einzuziehen. Jedem von ihnen wird ein Memorandum der KNSB für die sozioökonomische Entwicklung des Landes in den nächsten vier Jahren vorgelegt. Eine der Hauptforderungen der Gewerkschaft ist, dass der Haushalt 2023 um 600 Millionen Euro für die Gehälter im öffentlichen Dienst aufgestockt wird. Diese Frage wurde beim geschäftsführenden Premierminister Galab Donew aufgeworfen, der versprochen hat, mit dem geschäftsführenden Finanzminister zu sprechen, um nach Möglichkeiten zu suchen. Der geschäftsführende Premierminister hat auch die positive Haltung der Regierung zu den Verpflichtungen im Rahmen des Wiederaufbau- und Nachhaltigkeitsplans bezüglich der Liberalisierung des Stroms für Haushalte ab Januar nächsten Jahres und der Reduzierung der Emissionen von Unternehmen im  Energiesektor um 40 Prozent zum Ausdruck gebracht.

Die nationale Protestkampagne der Gewerkschaften fordert nicht nur eine Anhebung der Löhne, sondern auch konkrete Gesetzesänderungen, um das Recht der Arbeitnehmer auf Urlaub und Erholung zu respektieren. Hier geht es speziell um die Gesamtberechnung der Arbeitszeit. Dabei handelt es sich um eine besondere Arbeitsform, die es ermöglicht, die normale Arbeitszeit von 8 Stunden auf einen 12-Stunden-Tag zu verlängern, einschließlich der Arbeit an Wochenenden, je nach Verteilung der Arbeiter nach Strukturen.

„Das Problem ist, dass in unserem Land die Gesamtberechnung der Arbeitszeit in absolut allen Unternehmen und sogar in einigen Institutionen angewandt wird, während sie laut europäischer Gesetzgebung nur in Produktionen mit ununterbrochenem Ablauf angewandt werden sollte“, erläutert Dr. Todor Kapitanow,  Arbeitsrechtsexperte bei der KNSB.

Todor Kapitanow

„Die europäische Gesetzgebung sieht  eine Wochenarbeitszeit von maximal 52 Stunden vor, während in Bulgarien 56 Stunden zulässig sind. Alles geht auf Kosten der Rast und Erholung des Arbeitnehmers und seines Privat- und Familienlebens. Das ist ein Türchen, das skrupellose Arbeitgeber ausnutzen, denn manchmal wird nicht nur 12 Stunden, sondern 14 bis 16 Stunden gearbeitet. Das ist einer der häufigsten Verstöße im Zusammenhang mit der Arbeitszeit, da diese nicht korrekt erfasst wird. Es wird zwar eine Art Buch geführt, aber wie es in der Praxis aussieht, ist eine andere Geschichte. Und das ist ziemlich besorgniserregend, weil die Arbeitnehmer diesen Missbrauch über 20 Jahren dulden. Die Bulgaren haben nicht nur die meisten Arbeitsstunden in Europa, sondern werden auch am schlechtesten bezahlt. Das ist eine der größten Lücken im Arbeitsgesetzbuch, die dringend geschlossen werden muss.“

Die Gewerkschaften haben schon mehrmals die Frage über die Gesamtberechnung der Arbeitszeit aufgeworfen. Vor zwei Jahren haben die KNSB und die Gewerkschaft KT „Podkrepa“ eine große Aktion gestartet und 100.000 Unterschriften gesammelt, die dem Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik vorgelegt wurden. Der Antrag bezieht sich auf das Recht, diese Frage zu überdenken und eine Regelung zu schaffen. Die Arbeitsgruppe hat sich geweigert, eine Stellungnahme dazu abzugeben, warum die bulgarischen Vorschriften nicht mit der europäischen Gesetzgebung im Einklang stehen, erinnerte Dr. Todor Kapitanow. Deshalb haben die KNSB und KT „Podkrepa“ diese Arbeitsgruppe im Zeichen des Protests verlassen, da ein so wichtiges Thema, das Tausende Arbeitnehmer betrifft, nicht ignoriert werden darf. Jetzt steht es wieder auf der Tagesordnung der Protestforderungen der Gewerkschaften.

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: Pixabay, BGNES, Gergana Mantschewa



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