In den letzten Wochen forderte die neue Regierung in Nordmazedonien unter Hristijan Mickoskiüberraschend, den Bau der Eisenbahnlinie nach Bulgarien zu stoppen.
Die Argumente der nordmazedonischen Seite sind, dass das Projekt zum Bau der Eisenbahn entlang des Europäischen Verkehrskorridors Nr. 8 aufgrund des komplexen Gebirgsgeländes sehr teuer sei und nicht bekannt sei, wo eine Verbindung nach Bulgarien hergestellt werde.
Seit über anderthalb Jahrhunderten gibt es Versuche, eine Eisenbahnverbindung zwischen Sofia und Skopje zu bauen. Die Balkan- und Weltkriege des 20. Jahrhunderts sowie geopolitische Konfrontationen erschwerten dies. Seit dem Zerfall Jugoslawiens wurde über die Fertigstellung der Eisenbahnstrecke mehr geredet als gehandelt.
Die Eisenbahnverbindung zwischen Sofia und Skopje soll Teil des großen Transportkorridors Nr. 8 sein, der den italienischen Hafen Bari mit Durrës in Albanien an der Adriaküste und den bulgarischen Schwarzmeerhäfen Warna und Burgas verbinden wird. Für einen Kommentar zur nordmazedonischen Position wandten wir uns an Dozent Angel Dschonew vom Institut für Geschichte der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften.
Seine Doktorarbeit „Mazedonien in der Eisenbahnpolitik Bulgariens“ ist die detaillierteste Untersuchung der Vergangenheit und Gegenwart der Eisenbahnlinien nicht nur zwischen Bulgarien und dem geografischen Gebiet Mazedonien, sondern auch im Westbalkan.
„Dieser Eisenbahnabschnitt ist seit mehr als 150 Jahren ungebaut geblieben. Obwohl die ersten Bauarbeiten bereits im Osmanischen Reich stattfanden“, erklärte Angel Dschonewund fügte hinzu:
“Der andere wichtige Punkt ist, dass Bulgarien dies als oberste Priorität ansieht und 1910 der bulgarische Zug die Grenze bei Gjueschewo erreichte, aber - bildlich gesprochen - seit über 110 Jahren auf den Zug des Nachbarn wartet. Kriege sind der andere Faktor, der einige Prozesse weitgehend katalysiert hat. Im Ersten Weltkrieg unternahm Bulgarien einige Anstrengungen, Gjueschewo mit Kumanovo zu verbinden, dem fehlenden Glied in der Eisenbahninfrastruktur zwischen Sofia und Skopje. Während des Zweiten Weltkriegs wurden enorme Anstrengungen unternommen, die zum Graben von etwa 30 Tunneln führten. Dies geschah innerhalb von fast 3,5 Jahren, und die Investitionen werden auf etwa eine halbe Milliarde Lewazu jener Zeit geschätzt. Am Ende wurde die Linie aber doch nicht fertiggestellt.”
Die offizielle Vereinbarung zur Wiederaufnahme des Baus der Eisenbahnstrecke Skopje-Sofia wurde 1994 unterzeichnet. Es wurden jedoch keine nennenswerten Fortschritte erzielt, obwohl in den letzten Jahren europäische Mittel gesichert wurden.
„Es war auch eine politische Aktion – 1994 ist dafür bekannt, dass der „erste Spatenstich“ für den Bau der Strecke von Beljakovce nach Gjueschewo, diesem fehlenden Abschnitt von 56 km, gelegt wurde. Das heißt, alles wird von den Politikern geleitet und von Zeit zu Zeit werden neue „erste Spatenstiche“ gemacht. Der letzte“erste Spatenstich“ erfolgte im Jahr 2022, als Premierminister Dimitar Kovačevski und der bulgarische Premierminister Galab Donew in der Region Kumanovo einen weiteren Startschuss für die Fertigstellung der Strecke gaben“, erinnert Dozent Angel Dschonew.
Und wie berechtigt sind die Behauptungen der neuen nordmazedonischen Machthaber, dass sie nicht wüssten, wo die Eisenbahnstrecke eine Verbindung nach Bulgarien herstellen wird?
„Das sind zwei Leute, die hauptsächlich nur reden – der Verkehrsminister und stellvertretende Premierminister Aleksandar Nikoloski und der Premierminister Hristijan Mickoski. Sie wissen es wahrscheinlich nicht, vielleicht waren sie dort nie, aber ich war an den Ausgängen des Tunnels.Der Tunnel ist da, er ist im Bau. Zwischen Bulgarien und der Republik Nordmazedonien wurden Vereinbarungen, Memoranden und Verträge unterzeichnet. Dort ist angegeben, dass die Verbindung bei Gjueschewo erfolgen wird“, erläuterte Angel Dschonew.
Bezüglich der Behauptungen, dass sich die Eisenbahnlinie als Investition nicht lohnen würde, erinnert Angel Dschonewdaran, dass laut Analysen aus dem letzten Jahrhundert das Fehlen des Korridors Nr. 8 Bulgarien jährlich Verluste in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar einbringt.
„Der Korridor sollte als Infrastruktur zwischen Durrës und Burgas, Durrës und Warna betrachtet werden. Vielleicht verfügen einige Abschnitte nicht über dieses wirtschaftliche Potenzial, aber im großen und ganzen sprechen wir von einem Korridor von Meer zu Meer. Ich wundere mich nicht über das politische Gerede von Leuten, die eindeutig politische Verpflichtungen bezüglich der anderen Richtung von Korridor Nr. 10 eingegangen sind, der bekanntlich in Europa beginnt, aber durch Niš, Skopje, Gevgelija und Thessaloniki führt. Dort konzentrieren sich derzeit die größeren Anstrengungen Nordmazedoniens“, so der Wissenschaftler.
Am Ende des Gesprächs erinnerte Dozent Angel Dschonew daran, dass die Lösung des Problems rund um die Verkehrsverbindung zwischen Sofia und Skopje nicht nur die Bahnstrecke im Rahmen von Korridor Nr. 8 einbezieht „Notwendig ist auch der Bau der Autobahn entlang Korridor Nr. 8“, forderte der Experte.
Seiner Meinung nach sind geopolitische Interessen ein Hindernis, aber auch eine Voraussetzung für die „Freigabe“ der Arbeiten am Korridor Nr. 8, und die ersten Signale dafür seien bereits aus Übersee gekommen.
Zusammengestellt: Iwo Iwanow
Übersetzung: Antonia Iliewa
Redaktion: Rossiza Radulowa
Fotos: BTA, BGNES, Dozent Angel Dschonew
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