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Des Nachbarn Haus brennt – was geht uns das an?

Foto: EPA / BGNES
"Es geht dich auch an, wenn des Nachbarn Haus brennt", heißt ein altes Sprichwort. Die dicken Rauchwolken des griechischen Feuers kann man inzwischen auch bei uns, in Bulgarien, sehen. Das Nachbarland Griechenland ist ein wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner Bulgariens. In den vergangenen zwei Jahrzehnten war es auch das reichste Land in ganz Südosteuropa. Dorthin zogen viele bulgarische Emigranten in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Nach Bulgarien kamen große griechische Investoren. Nun sinkt das griechische Schiff und das wirkt sich unweigerlich auch auf das Image der gesamten Region negativ aus. Inwieweit kann die griechische Krise Bulgarien betreffen?

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"In Griechenland, wie auch in den anderen Krisenländern Spanien und Portugal, leben viele bulgarische Emigranten", sagt der Wirtschaftsanalyst Georgi Angelow. "Griechenland geht es aber von allen am schlimmsten. Wenn Griechenland tatsächlich aus der Euro-Zone austreten sollte, erwartet das Land eine Hyperinflation. Das bedeutet, dass die Einkommen der Bulgaren, die dort leben, dramatisch zurückgehen werden. Es ist zu erwarten, dass sie dann in die Heimat zurückkehren werden. Das wären die persönlichen Folgen für diese Familien. Die griechische Krise hat aber auch gesamtwirtschaftliche Nachteile für Bulgarien. Griechenland wird keine bulgarischen Exporte mehr aufnehmen können. Die bulgarische Industrie muss also nach neuen Absatzmärkten suchen", betont der Wirtschaftsexperte.

Mehr noch – ein Großteil der ausländischen Investitionen in Bulgarien werden über die Niederlassungen der großen Konzerne in Griechenland abgewickelt. Das wird offensichtlich nicht mehr so funktionieren. Es fehlt einfach am Geld, das ins Ausland investiert wird. Hinzu kommt die Panik der griechischen Bürger, die allein in dieser Woche knapp eine Milliarde Euro aus ihren Bankkonten abgezogen haben. Das Bankensystem Griechenlands steht auf der Kippe. Und viele griechische Banken sind auch in Bulgarien vertreten. Kann diese Panik auf Bulgarien überschwappen?

"Es gibt eine wichtige Besonderheit – die Niederlassungen der griechischen Banken in Bulgarien sind selbstständige juristische Personen, selbstständige Firmen mit eigenem Kapital", erläutert Georgi Angelow. "Als solche werden sie von der bulgarischen Zentralbank reguliert. Selbst, wenn ihre Mutterbanken in Griechenland von der Krise betroffen werden sollen, werden sie in Bulgarien deshalb nicht bankrott gehen", behauptet der Wirtschaftsexperte.

Dennoch sind die Menschen in Bulgarien verunsichert. Eine ähnliche Situation erlebte Europa mit der Finanzkrise in Irland. Die irischen Banken, die Pleite gingen, haben ihre Niederlassungen im Ausland verkaufen müssen. Und so wurden die Tochtergesellschaften gerettet. Das würde auch mit den griechischen Tochterbanken in Bulgarien passieren, sollten die Muttergesellschaften in Griechenland bankrott gehen. Dieses Szenario ist laut Georgi Angelow möglich, wenn Griechenland die Drachme wieder einführt. Darf Bulgarien einen verstärkten Kapitalzufluss aus Griechenland erwarten?

"Momentan retten sich die reichen Griechen lieber in die Schweiz", sagt Georgi Angelow. "Die nicht so gut betuchten Griechen ziehen ihr Geld aus den Banken und warten erst mal ab, was passiert. Sollte Griechenland tatsächlich aus der Euro-Zone austreten, werden die Kapitalströme ins Ausland, einschließlich der Nachbarländer, versiegen. Da aber Griechenland keine guten Beziehungen zu den Nachbarländern Türkei und Mazedonien pflegt, sind Bulgarien und Zypern die möglichen Rettungsinseln für die Ersparnisse der Griechen", erwartet der Wirtschaftsexperte Georgi Angelow.

Er betont auch, dass Griechen auch jetzt schon ihre Ersparnisse in Immobilien in Bulgarien investieren, insbesondere in der Grenzregion im Südwesten Bulgariens. Mit seiner stabilen und berechenbaren Wirtschafts- und Finanzpolitik ist Bulgarien ein bevorzugtes Ziel auch für kleine und mittlere Unternehmen aus dem krisengeschüttelten Griechenland.

Übersetzung und Redaktion: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Tanja Harisanowa


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