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Auf den jungfräulichen Pfaden der Ost-Rhodopen

Der Arda-Fluss ist ein begehrtes Reiseziel für Naturliebhaber, Maler und Fotografen.
Foto: Weneta Nikolowa
Wussten Sie schon, dass in den Ost-Rhodopen riesige Herden Bullen und Kühe der seltenen Art des kurzhörnigen Rhodopen-Wildes in Gesellschaft von Karakatschaner Schafen nach Herzenslust weiden? Oder, dass aus den Niederlanden stammende Wildpferde namens Tarpane über die Gebirgsweiden galoppieren und die hoch am Himmel kreisenden Geier zu wahren "Berühmtheiten" geworden sind, die häufig im Fokus der Objektive von Ornithologen aus der ganzen Welt stehen? Die Ost-Rhodopen sind eine der letzten jungfräulichen Gegenden Europas – vorbeigegangen an der Zeit und Urbanisierung, die den Rest des Alten Kontinents um seine Identität gebracht haben.


Ein Großteil der hiesigen Siedlungen nicht mehr als 40-50 Bewohner.

Das Gute ist, dass die Rhodopen-Gemeinden Madscharowo und Krumowgrad an der Grenze zu Griechenland bisher vom Massentourismus verschont geblieben sind. Und so sind die typischen Versuchungen für den modernen Verbraucher hier nur selten anzutreffen. Supermärkte und verunstaltende Werbetafeln, Fast-Food-Restaurants, Diskotheken, Bars, Souvenirstände etc. sind hier Fremdwörter. In dieser Gebirgsgegend sind selbst Hotels eine Seltenheit! Eher stößt man auf Gästehäuser, die über alles verfügen, was man für einen vollwertigen- vor allem aber romantischen Landurlaub braucht. Man kann sich aber auch ein Haus mieten. Zur Auswahl stehen restaurierte Altbauten, deren Fassaden sich in nichts von denen der alten Nachbarhäuser unterscheiden, deren Inneres jedoch mit Luxusschlafzimmern und Kaminen, mit modernen Küchen mit nagelneuen Herden, Kühlschränken u.a. beeindruckt. Kurz gesagt sind diese eine ausgezeichnete Urlaubsvariante für Landurlaub mit Freunden, ohne dabei auf den gewohnten Komfort verzichten zu müssen.


Die Ost-Rhodopen sind ein Paradies für Ornithologen.

Wer die Idylle und Ruhe liebt, wird mit Sicherheit die Tatsache zu schätzen wissen, dass ein Großteil der hiesigen Siedlungen nicht mehr als 40-50 Bewohner zählt und einige Dörfer seit Jahren ausgestorben sind. In der Umgebung des einstigen Bergbaustädtchens Madscharowo, wo heute gerade einmal 500 Menschen leben, haben die Vögel das Sagen! Auf einem Gebiet von weniger als 20 Quadratkilometern kann man 70 Prozent der auf dem Alten Kontinent heimischen Raubvögel beobachten. Unter diesen zeichnen sich die berühmten Gänse-, Schmutz- und Mönchsgeier ab, die ein begehrtes Fotoobjekt der Ornithologen sind. Im Frühjahr entflammt das Umland von Madscharowo in Lila, Rot, Pink... Dann blühen im hiesigen Schutzgebiet Waltschi Dol, zu Deutsch Wolfs-Tal, die Orchideen. Wie der Name des Schutzgebietes bereits verrät, streifen Wölfe durch das Reservat, d.h. man sollte mit offenen Augen durch die Natur gehen! Empfehlenswert ist zudem ein Besuch im Naturschutzzentrum bei Madscharowo, wo man Näheres über die Vogelwelt des Gebirges sowie die Nistplätze einiger der seltenen gefiederten Arten erfährt.


Empfehlenswert ist ein Besuch im Naturschutzzentrum beim einstigen Bergbaustädtchen Madscharowo.

Der Niederländer Frank Zanderink, Koordinator des bulgarisch-niederländischen Projekts für eine nachhaltige Entwicklung der Region, ist davon überzeugt, dass die Ost-Rhodopen alle Voraussetzungen mitbringen, um sich als führende Destination für naturnahen Tourismus zu etablieren.

"Ausländische Touristen bevorzugen jungfräuliche Pfade - meint Frank Zanderink. - Mit Vorliebe erkunden sie unberührte Natur. Und all das bieten die Ost-Rhodopen. Es stimmt schon, dass ein Großteil dieser Breiten von Menschenhand veredelt wurde, jedoch wurde hier die Natur erhalten und nicht vernichtet, wie anderswo. Hier erwartet Sie eine der größten Artenvielfalten Europas: verschiedene Arten Schmetterlinge, Kriechtiere, Raubtiere, Raubvögel. In Europa, einschließlich in meiner Heimat - den Niederlanden - sind die Ost-Rhodopen unbekannt. Und wenn ich dann meine Fotos und Filme auspacke, heißt es - da will ich unbedingt hin!"


Eine besondere Attraktion sind die in allen Farben des Regenbogens leuchtenden Trachten der Gegend.

Neben Niederländern, Franzosen, Deutschen und Skandinaviern entdecken auch immer mehr Bulgaren diesen von der Natur gesegneten Landstrich. Viele Naturfreunde erzählen nur ungern über ihre herrlichen Erlebnisse, um die Gegend vor dem Ansturm des Massentourismus zu bewahren. Eine Wanderung entlang des Arda-Flusses wird ihre Sinne mit unverhofften Aussichten, Vogelgesang und dem Aroma von wilden Blumen und Kräutern erfreuen. Die klaren Flusswasser schlängeln sich am Fuße hoher Felszinnen und formen so herrliche Mäander von beinahe unrealistischer Schönheit. Die Asphaltstraße entlang der Sandstrände führt in gottverlassene Orte, deren Bewohner - vor allem ältere Leute - in Weilern weitab der Zivilisation leben. Für sie gleichen Touristen Ankömmlingen aus einer anderen Epoche. Dafür sind sie für ihre berühmte Gastfreundschaft bekannt. Hier empfängt man den Reisenden mit einem breitem Lächeln und unwiderstehlicher Hausmannskost. In einem Gästehaus im Dorf Gorno Pole absteigend, wird man Sie beispielsweise mit Rinderschmorbraten in Kürbis oder Banitza mit Grütze bewirten. Die Hausherren betreiben Biolandwirtschaft und halten auf ihrer Farm das seltene kurzhörnige Rhodopenwild und Karakatschaner Schafe, die frei in der Umgebung des Dorfes weiden und zum hiesigen Landschaftsbild gehören.



In der Umgebung des verlassenen, scheinbar am Ende der Welt liegenden Dorfes Sbor wiederum kommt Nostalgie nach vergangenen Zeiten auf. Nahe der halb zerfallenen Häuser, Opfer der Naturgewalten, weidet eine Wildpferdherde, s.g. Tarpane. Die Tiere aus den Niederlanden, die im Vorjahr mit dem Ziel hier angesiedelt wurden, die Region zu beweiden und so die natürlichen Ökosysteme wiederherzustellen, haben sich als Touristen-Highlight etabliert. Eine Attraktion sind zudem die in allen Farben des Regenbogens leuchtenden Trachten der Gegend, die nur an Feiertagen aus den alten Wandschränken und Truhen geholt werden. Dann schwingt man zu den Klängen der weit hallenden Sackpfeife namens Kaba Gajda beim Reigen das Tanzbein. Und jeder, der sich dem Horo anschließen möchte, ist herzlich willkommen!



Übersetzung: Christine Christov

Fotos: Weneta Nikolowa
По публикацията работи: Weneta Nikolowa


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